Gefaehrliche Schatten
Morgen in den Zoo wollte.
Er rannte über das Gelände. Der kürzeste Weg zum Schmetterlingsnetz lief über eine Reihe von gepflasterten Wegen, zwischen denen Noah immer wieder über matschige Erde laufen musste. Überall im Zoo hoben die Tiere ihre Köpfe. Noah merkte, dass er beim Rennen zu viel Lärm machte, und lief langsamer.
Im Vorbeigehen spähte er in die Außengehege. Sie waren voller Leben. Im Hier-tanzt-der-Bär!-Gehege kletterte eine Gruppe wachsamer Schwarzbären auf einen Beton-Felsen. Auf der Straußenfarm drängte sich eine Gruppe von Straußen aneinander und spreizte ihre Flügel. Bei den Eleganten Elefanten spazierten mehrere Dickhäuter mit schwingenden Rüsseln und flatternden Ohren über die Ebene und reckten ihre Stoßzähne in den Himmel.
Noah erreichte das Schmetterlingsnetz und benutzte seinen magischen Schlüssel, um hineinzugelangen. Das Gehege war still und leer. Er eilte über die Brücke zur Lichtung, kroch unter der Absperrung hindurch und lief auf die Treppe zu. Als er die Stufen erreicht hatte, blieb er stehen und starrte hinunter in die Dunkelheit.
Sei bloß vorsichtig , ermahnte er sich selbst. Lies die Schilder und dann geh gleich wieder raus.
Er machte einen Schritt hinab, dann noch einen, und atmete die kühle Luft der Grotten ein. Am Fuß der Treppe sprangen die Lichter an. Er ging den kurzen Weg zu den zwei Abzweigungen und sah nach links und rechts. In den Grotten war es vollkommen still. Er spähte zu den Metallplaketten, doch wie schon zuvor konnte er sie aus dieser Entfernung nicht lesen.
Nachdem er einen Schritt nach links gemacht hatte, blieb er voller Angst stehen. Er erinnerte sich an die Schmetterlinge und wie sie um ihn herumgeflattert waren, bis er die Orientierung verlor.
Er sah zu dem Schild, das über dem nächsten Tunnel angebracht war. Schwach konnte er die Inschrift erkennen, jedoch nicht entziffern.
Nimm dich zusammen , sagte Noah sich selbst. Und beeil dich.
Er machte fünf schnelle Schritte und blieb am Eingang des ersten Tunnels stehen. Über dem Vorhang stand Der geheime Elegante Elefant . Er ging zum nächsten Tunneleingang, über dem Der Eisbärenpool stand. Dann ging er zum dritten Tunnel, der Das geheime Koala-Kastell hieß.
Dabei stellte er etwas fest. Der Name über dem zweiten Tunnel war anders als die anderen beiden. Er hieß Der Eisbärenpool und nicht Der geheime Eisbärenpool . Warum? Warum fehlte hier das Wort geheim ? Warum hatte –
Doch dann wurden seine Gedanken unterbrochen. Er hörte etwas hinter dem Eingang des vierten Tunnels. Etwas Stampfendes. Etwas, das auf ihn zukam. Ein großes Tier. Der Boden des Tunnels vibrierte. Mörtel rieselte von der Backsteinmauer.
Plötzlich flog der Vorhang zur Seite, und ein Nashorn donnerte in die Grotten. Im Vorbeitrampeln presste es Noah kurz an die Wand.
Ein zweites Nashorn schleuderte den Vorhang zur Seite. Dann ein drittes und viertes – jedes direkt hinter dem anderen. Entweder sie sahen Noah nicht, oder es war ihnen egal, was mit ihm passierte.
Mühsam bewegte sich Noah seitwärts, um nicht zertrampelt zu werden. Seine Wange schrappte an der Mauer entlang, und seine Jacke wurde vorne aufgerissen.
Ein paar Schritte zu seiner Rechten hing ein Vorhang. Noah musste ihn erreichen, sonst würde er zu Mus zerstampft werden. Er quetschte sich an der Wand entlang und wurde dann durch den Eingang gestoßen. Wasser umschloss ihn, und Noah verstand sofort, warum: Er war durch eine Wasserwand getreten, ähnlich wie die vor dem Fahrstuhl des Wasserturms.
Es war nachtschwarz. Noah strampelte mit den Beinen und wirbelte herum. Er verlor jede Orientierung und wusste nicht mehr, wo der Vorhang war. Als er Luft holen wollte, stieß er sich den Kopf. Er schwamm vor und zurück, ruderte mit den Armen und suchte verzweifelt nach einer Öffnung oder einem Ort, um aufzutauchen. Doch da war nichts.
In seiner Angst ging Noah die Luft aus. Sein Herz schlug schmerzhaft in seiner Brust. Endlich entdeckte er einen Lichtschein und schwamm mit aller Kraft darauf zu. In dem Moment, als er das Licht erreichte, verschwand die Welt vor seinen Augen, und der Schmerz in seiner Brust verstummte.
Im dunklen Wasser der Grotten hatte Noah das Bewusstsein verloren.
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27. Kapitel
Die Scouts erwachen
R ichie mampfte gerade seine Cornflakes, als Ella den Kopf ins Esszimmer steckte.
«Wo ist Noah?», fragte sie.
Richie zuckte die Schultern. «Hab ihn noch nicht gesehen.» Milch lief ihm über
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