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Gefaehrliche Sehnsucht

Gefaehrliche Sehnsucht

Titel: Gefaehrliche Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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auf und auch Erleichterung. Er nickte und ging ein Stück außer Reichweite.
    Oliver beobachtete sie gleichmütig. »Ich gebe zu, du bist besser, als ich erwartet hätte. Du kannst dich immer noch dafür entscheiden, dass einer deiner Freunde deine Strafe auf sich nimmt. Ich hätte nichts gegen einen Wechsel.«
    Das brachte sie wieder zu sich. Der Gedanke, dass Eve, Shane oder Michael für sie leiden müssten - oder noch schlimmer, ihre Mom oder ihr Dad -, mobilisierte ihre letzten Reserven. Neunundvierzig Stunden? So lange war sie noch nie wach gewesen; dreißig Stunden waren bis jetzt das Längste gewesen und da hatte sie gedacht, sie müsste sterben. Jetzt war sie noch immer auf, arbeitete noch, dachte noch. Das war doch ein Sieg, oder?
    Myrnin blieb immer nah bei ihr, weil er Angst hatte, sie würde das Gleichgewicht verlieren, aber sie bemerkte es kaum. Claire konzentrierte sich auf die Maschine, auf die wenigen verbleibenden Teile. Sie musste einfach dahinterkommen.
    Als sie eines der letzten Teile wieder an seinen Platz steckte, sah sie plötzlich, dass etwas fehlte. »Leitungen«, sagte sie langsam. Ihre Stimme klang schwer und fremd. »Von hier nach da.« Sie deutete auf die Kontaktstellen. »Damit Strom hinten rauskommt.«
    Byrnin beugte sich vor, runzelte die Stirn und betrachtete die Stelle, auf die sie zeigte. Er schnappte sich ein riesiges Vergrößerungsglas und sah sich das Ganze genauer an. »Ich glaube, du hast recht«, sagte er. »Halt durch, Claire. Wir haben es fast geschafft.«
    Sie nickte und hielt sich an der Tischkante fest. Ihr Körper fühlte sich an, als würde er zweihundert Kilo wiegen. Ihre Beine waren taub. Sie traute sich nicht, sich zu bewegen, weil sie wusste, dass sie dann umkippen würde.
    Innerhalb von Sekunden kam Myrnin mit einem Knäuel schwarz isoliertem Kabel und einer Lötpistole zurück. Fast hätte er sich damit die Haare verbrannt, weil er sich so weit vorbeugte, aber er machte es richtig.
    Claire griff nach den letzten beiden Teilen - einem Uhrwerkmechanismus, der oben befestigt wurde, und einem Satz Leitungen, der ihn mit den Vakuumröhren verband. Sie setzte sie an den vorgesehen Stellen ein. Myrnin befestigte sie.
    Das war alles. Die Maschine lag da als eine endlose, schwindelerregende Reihe aus Spiralen, Wirbeln und sonderbaren Mechanismen, aus denen Drähte herausragten wie Baumwurzeln. In ihren Augen sah die Maschine völlig unwirklich aus. Genau wie Myrnin, der sich ihr mit einem kaum verhohlenen roten Glühen in den Augen zuwandte.
    »Ich glaube, wir sind fertig«, sagte sie. »Darf ich mich jetzt bitte setzen?«
    »Ja«, sagte Oliver. »Das solltest du besser tun.«
    Sie wurde ohnmächtig.
    Sie wurde vom Klingeln eines Handys geweckt. Sie kannte diesen Klingelton, es war der, den sie für Shane ausgewählt hatte.
    Sie versuchte, danach zu greifen, doch ihre Hand fühlte sich an wie ein Ballon und eine Million Kilo schwerer als sonst. Sie lag wieder auf Myrnins Liege, die Decke bis zum Kinn hochgezogen, und während sie nach dem Handy tastete, ging die Zellentür auf, Myrnin huschte herein und schnappte sich das Telefon. Er legte ihr seine kühle Hand auf die Stirn und sagte: »Schlaf. Du hast Fieber.«
    »Danke«, flüsterte sie. »Danke, dass Sie sich um mich kümmern.«
    Er betrachtete sie lange und lächelte. »Es ist schön, dass ich nicht allein bin, zumindest im Moment nicht«, sagte er. »Tut mir leid wegen vorhin. Ich war... nicht ich selbst. Verstehst du?«
    Sie verstand, sie hatte das schon oft erlebt. Sie verstand sogar, was ihn so dicht an den Abgrund getrieben hatte - er hatte mitansehen müssen, wie sie immer schwächer wurde, immer erschöpfter und ängstlicher, und das Raubtier in ihm war erwacht. Wie damals bei Ada.
    Ihr war es ein bisschen besser ergangen als Ada, aber sie fragte sich, ob das daran lag, dass Myrnin sich zusammengerissen hatte... oder ob Olivers Anwesenheit ihn davon abgehalten hatte. Es war so oder so knapp gewesen.
    »Fühlen Sie sich krank?«, fragte sie. Sie hatte eigentlich nicht so unverblümt fragen wollen, aber sie war zu müde, um diplomatisch zu sein. »Ich meine, so wie früher?«
    »Ich kann mich beherrschen, ich habe nur Stimmungsschwankungen. Das weißt du ja.«
    »Sie würden es mir sagen, wenn Sie Probleme hätten.«
    Er lächelte, doch irgendwie sah es nicht echt aus. »Natürlich würde ich dir das sagen«, sagte er. »Jetzt ruh dich aus.«
    Als sie das nächste Mal aufwachte, fühlte sie sich schon besser.

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