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Gefaehrliche Sehnsucht

Gefaehrliche Sehnsucht

Titel: Gefaehrliche Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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zeichnete, die sich anfühlte, als würde sie Kälte ausströmen, erkannte Claire plötzlich etwas darin. Es war wie ein intuitives Aufblitzen, ein Moment, wie sie es manchmal hatte, wenn sie über Probleme der höheren Physik nachdachte. Nicht direkt ein rechnerischer Vorgang, nicht Logik. Eben Instinkt.
    Sie verstand, was Myrnin da machte, und einen Augenblick lang war es wunderschön. Verrückt, aber irgendwie schön. Wie alles, was Myrnin machte, verzerrte es die Gesetze der Physik, er beugte sie und formte sie neu, bis sie zu etwas... anderem wurden. Er ist ein Genie, dachte sie. Das hatte sie schon immer gewusst, aber das hier... das war etwas anderes. Es ging über seine sonstige Flickschusterei und seine übliche Seltsamkeit hinaus.
    »Es wird funktionieren«, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam. Sie fügte die Vakuumpumpe sorgfältig an der entsprechenden Stelle auf dem akribisch beschrifteten Tuch ein.
    Myrnin saß in seinem Lehnstuhl, die Füße gemütlich auf ein Sitzkissen gebettet, und blickte von seinem Buch auf. Er hatte eine winzige quadratische Brille auf, die vielleicht einmal Benjamin Franklin gehört hatte. »Nun, natürlich funktioniert es«, sagte er. »Was hast du denn erwartet? Ich weiß schon, was ich tue.«
    Und das von einem Mann, der absolut unsägliche Klamotten und abgewetzte Vampirhäschenpantoffeln trug. Er hatte die Füße auf dem Sitzkissen übereinandergeschlagen, sodass die beiden Häschen das Maul aufklappten und ihre spitzen Vampirzähnchen zeigten.
    Claire grinste und war plötzlich voller Begeisterung für das, sie tat. »Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte sie. »Wann gibt es Mittagessen?«
    »Ihr Menschen seid dauernd am Essen. Ich koche dir eine Suppe. Du kannst sie nebenbei essen.« Myrnin legte das Buch weg und ging in den hinteren Teil des Labors.
    »Nehmen Sie bloß nicht das Becherglas, das sie sonst zum Giftmischen nehmen!«, schrie Claire ihm nach. Er winkte mit seiner bleichen Hand. »Ich meine es ernst!«
    Sie wandte sich wieder der Maschine zu. Die Intuition war verflogen, doch die Begeisterung blieb und sie machte sich an die Schrauben, mit denen das nächste Teil befestigt war.
    Sie war erschöpft und sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. In Myrnins Labor gab es keine Zeit, die Lampen brannten immer. Es gab keine Fenster, keine Uhren, kein Gefühl dafür, wie lange sie schon an diesem Tisch stand und herumbastelte. Es fühlte sich an wie Tage. Nur wenn sie auf die Toilette ging, hatte sie Zeit, sich hinzusetzen. Er brachte ihr dauernd Tassen mit Suppe, wenn sie hungrig war, oder mit Kaffee oder Limonade. Einmal bemerkenswerterweise ein Glas Orangensaft, das nach Sonnenschein schmeckte - zumindest soweit sie sich noch an Sonnenschein erinnern konnte.
    Sie war so müde, dass sie kaum noch ihr Werkzeug halten konnte, und ihre Hände waren ungeschickt und taten weh. Ihr Rücken schmerzte. Ihre Beine zitterten von dem anstrengenden Stehen. Sie konnte nicht im Sitzen arbeiten, weil der Tisch so hoch war, und immer wenn sie versuchte, einen Moment lang aufzuhören und sich hinzusetzen, war Myrnin da.
    Als sie sich jetzt näher zu dem Hocker schob, stieß Myrnin plötzlich ein zorniges Geräusch aus und schlug ihn weg, sodass er durch das halbe Labor flog. »Nein!«, bellte Myrnin. »Wach bleiben. Glaubst du vielleicht, mir gefällt das?«
    »Ich kann nicht mehr!«, rief sie. Tränen brannten ihr in den Augen. »Myrnin, ich bin so müde! Ich muss mich hinsetzen. Bitte, erlauben Sie mir, dass ich mich hinsetze! Amelie wird es nie erfahren!«
    »Doch, das wird sie«, kam eine Stimme aus der dunklen Ecke neben einer der Lagerraumtüren. Claire blinzelte, bis sie dort etwas ausmachen konnte - an der Wand lehnte Oliver. »Du stehst unter ständiger Beobachtung, Claire. Du hast diese Strafe gewählt, jetzt musst du sie auch überleben. Ich persönlich halte das für unwahrscheinlich. Ich glaube, du wirst zusammenbrechen, bevor du die Arbeit beendet hast, und wir wissen beide, dass Amelie es sich nicht leisten kann, dir gegenüber Gnade walten zu lassen. Wenn du versagst, umso besser. Ich war nie einverstanden mit dieser Gefühlsduselei.« Er klang verächtlich und trotzdem wütend, weil sie nicht in einem Käfig auf dem Founder’s Square saß und auf ihre Verbrennung wartete. Sie spürte so großen Hass in sich aufwallen, dass sie richtig schockiert war. Wenn sie einen Pfahl zur Hand gehabt hätte, hätte sie Oliver gepfählt, ohne sich um die Folgen zu

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