Gefaehrliche Sehnsucht
Holztäfelung, Marmorboden und gedämpfter Beleuchtung ab. Es erinnerte Claire immer noch an ein Bestattungsinstitut. Kein Laut war im Gebäude zu hören, außer dem verhaltenen Seufzen der zentralen Klimaanlage. Es war kühl hier, fast schon kalt. Alle Türen waren ohne Türschild, zumindest für menschliche Augen.
»Da oben«, sagte Michael. Claire nickte. Sie entdeckte eine Vampirwache in Schwarz vor einer der Türen - die Frau, die neulich vor der Ratskammer Wache gestanden hatte. Sie saß auf einem Stuhl und las in einer Zeitschrift, aber als Michael und Claire sich näherten, stand sie auf und nahm ihre übliche Position ein.
»Michael Glass und Claire Danvers für Amelie«, sagte Michael.
»Ihr habt keinen Termin.«
»Nein«, sagte Claire. »Aber es ist wichtig. Wir müssen zu ihr.«
»Ich habe Anweisung, dass nicht gestört werden darf«, sagte die Vampirin.
»Aber es ist ein Notfall!«
»Ich habe meine Befehle.«
»Amelie wird uns sehen wollen«, sagte Michael.
Die Vampirin zog ganz leicht die Augenbrauen hoch »Es spielt keine Rolle, ob sie euch sehen will«, sagte sie. »Amelie gibt hier keine Befehle mehr, nur noch Oliver, und laut seine Anordnung soll sie nicht gestört werden. Geht jetzt oder ich lasse euch hinauswerfen.«
»Vielleicht sollten wir mit Oliver sprechen«, sagte Claire zweifelnd.
Da musste die Vampirin lächeln und die Spitzen ihrer Vampirzähne kamen zum Vorschein. »Eine hervorragende Idee, aber auch da habt ihr keinen Termin. Oliver empfängt keine Menschen ohne Termin.«
»Und was ist mit mir?«, sagte Michael. Sie lieferten sich ein Blickduell.
»Ich fürchte, Oliver steht momentan niemandem zur Verfügung«, sagte sie schließlich. »Befehl ist Befehl.«
»Dann gehen wir eben zu Amelie«, sagte Michael und griff nach dem Türknauf. Die Hand der Vampirin schoss vor und schloss sich weiß und fest um sein Handgelenk, sodass Michaels Hand ganz kurz vor dem Metallknauf gestoppt wurde. »Im Ernst? Willst du es wirklich auf diese Weise regeln?«
Die Vampirin lächelte und entblößte dabei ihre Vampirzähne ganz. »Du legst es darauf an, Neuling. Ich habe gesagt: Verschwindet. Da gibt es nichts mehr zu diskutieren ...« Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und sogar Claire spürte wie eine Macht an ihnen vorbeiwogte, eine Art Druckwelle, die beide Vampire dazu brachte, zu der geschlossenen Tür der Gründerin zu schauen.
Claire merkte, dass sie sich den Kopf hielt, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie die Hände hochgenommen hatte. Sie sah zu Michael auf, der ebenfalls einen ziemlich mitgenommenen Eindruck machte. Auch die Vampirwache sah überrascht aus.
»Was war das?«, fragte Claire.
»Amelie« sagte Michael. Wieder wollte er nach dem Türknauf doch die Vampirin hielt ihn ab. Mit der linken Hand packte Michael ihren Arm über dem Ellbogen und riss sie plötzlich mit einem Ruck über seinen Kopf. Eigentlich hätte sie auf der anderen Seite auf den Boden knallen müssen, doch stattdessen drehte sie sich in der Luft und landete ganz lässig auf den Füßen, fand das Gleichgewicht wieder und knallte jetzt ihn gegen die getäfelte Wand, die klauenartigen Fingernägel an seinem Hals.
Claire griff nach dem Türknauf und stürzte in das Büro. Drinnen war es dunkel. Stockdunkel. Sie konnte nichts sehen und stand einen Augenblick lang nur da, in der Hoffnung, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen würden. Doch nein. Es war, als würde man in Tinte schwimmen. Claire tastete an der Wand nach einem Lichtschalter und fand einen.
Als sie ihn einschaltete, entdeckte sie, dass Amelie unmittelbar vor ihr stand und sie mit großen eisgrauen Augen anstarrte. Claire schrie auf und wich zur Tür zurück. Amelie beugte sich vor und legte die flache Hand an das Holz neben Claires Kopf. Mit der rechten Hand griff sie nach dem Riegel und sperrte sie ein.
»Nun«, sagte sie leise. »Wer bist denn du, du kleines sanftes Mädchen? Eine Novizin unter den Vampirjägern, die glaubt, sie könnte die Stadt befreien und zur Volksheldin werden? Glaubst du wirklich, du hättest denMut, mir einen Pfahl durchs Herz zu jagen, Kind?«
Amelie erkannte sie nicht. Überhaupt nicht.
Schlimmer noch, da war ein weiterer Vampir im Zimmer. Oliver. Und er lag bewusstlos am Boden; Blut strömte aus zwei kreisrunden Wunden an seinem Hals.
Es war ziemlich offensichtlich, was geschehen war; Claire hatte das Gegenteil davon in der Ratskammer miterlebt, als Amelie und Oliver um
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