Gefaehrliche Spur
wurden, dorthin ging auch Gressyl.
O’Hara erteilte noch ein paar Anweisungen und schickte Travis, Wayne und Kia danach in die Ausrüstungsabteilung, wo ihnen neue Identitäten auf den Leib geschneidert wurden, die jeder noch so akribischen Prüfung stan d hielten.
Travis wurde außerdem seiner neuen Rolle angemessen eingekleidet und erhielt ein Blitz-Briefing über die Dinge, die jemand wissen musste, der seit ein paar Monaten auf der Straße lebte. Anschließend verließ er das Haup t quartier durch einen nicht öffentlichen Ausgang, der in einem stillgelegten U-Bahn-Schacht endete, von dem aus er unauffällig in die Stadt gelangte. Als Tom Fox machte er sich auf den Weg nach Denver.
2
Portland, Maine, 18. April
R ya stellte ihren Koffer neben dem Bett ab und atmete auf.
Das Pomegranate Inn, 49 Neal Street, war eine gute Wahl. Obwohl das Zimmer unter dem Dach mit seinem altertümlichen Ambiente wie dem Rüschenbehang rund ums Bett und dem Kamin kitschig wirkte, war es für Rya ideal. Die blaugrün gestrichenen Wände mit den aufgemalten blauen Blumenvasen und blauen Blumen sowie die bunten Teppiche und der winz i ge mahagonifarbene Schreibtisch mit dem hellblauen Stuhl davor brachten genug Farbe in den Raum, um trotz der weißen Türen, des weißen Bettzeugs und der hellen Sessel nicht den Hauch von Sterilität aufkommen zu lassen. Trotzdem hoffte sie, ihren Auftrag möglichst schnell erledigen zu können. Sie fühlte sich nur zu Hause einigermaßen wohl; nachdem sie nach ihrer Rüc k kehr aus der Reha jeden weißen Flecken getilgt und sogar die Decke sonne n gelb gestrichen hatte.
Sie wünschte sich, sie hätte sich auch sicher fühlen können. Aber dieses Gefühl war ihr möglicherweise für immer abhandengekommen. Was in ihrem Job nicht das Schlechteste war, denn es veranlasste sie zu permanenter Wac h samkeit. Doch die war anstrengend. Außerdem verhinderte sie, dass Rya eine einzige Nacht ruhig und vor allem durchschlafen konnte. Kein Wunder, dass sie ein Wrack war.
Sie packte den Koffer aus und inspizierte das Badezimmer. Es kam ihr wi n zig vor. Und es war weiß gekachelt. Sie würde sich nur darin aufhalten kö n nen, wenn sie die Tür offen ließ. Aber mit dieser Einschränkung hatte sie gelernt zu leben. Sie zog sich unauffällige Kleidung an, vor allem einen weiten Pullover, unter dem sie ihre Glock tragen konnte, ohne dass es auffiel. Ein bisschen Bargeld in der Hosentasche und eine Fotoserie von Marty Kirk in der Innentasche ihres Mantels, das Smartphone am Gürtel. Sie hatte zwar keine Ahnung, wo sich die Obdachlosen in Portland bevorzugt aufhielten, würde aber mit der Gegend um den Hafen beginnen. Außerdem wusste b e stimmt irgendein Taxifahrer, wo man die finden konnte. Sie wollte allerdings nach Möglichkeit niemanden direkt danach fragen.
Zunächst wollte sie auf andere Weise versuchen, Kirk zu finden. Seine Schwester hatte ihr den Namen des Kameraden genannt, der ihn in Portland gesehen haben wollte. Sie ließ sich vom Navigationsgerät ihres Mietwagens zu seiner Adresse führen, 735 Washington Avenue.
Noch ehe sie die Stufen des hellgrün gestrichenen Hauses emporstieg, hatte sie das Gefühl, dass hier etwas nicht so war, wie es hätte sein sollen, ohne dass sie das an etwas Konkretem hätte festmachen können. Der Eindruck wurde verstärkt, als eine blasse Frau in Schwarz die Tür öffnete und sie mis s trauisch anblickte.
„ Guten Tag, Ma’am. Ich bin Ryanne MacKinlay, Privatermittlerin von Your Eyes Inc. in Washington. Ich würde gern mit Mr. Ken Olmstead sprechen. Er wohnt doch hier?“
Als die Augen der Frau sich mit Tränen füllten, ahnte Rya, was los war.
„ Er hat hier gewohnt, ja. Aber mein Mann ist vor einem knappen Jahr g e storben.“
„ Das tut mir sehr leid. In dem Fall verzeihen Sie bitte, dass ich Sie belästigt habe.“ Sie zögerte. „Aber vielleicht könnten Sie mir weiterhelfen, falls Sie etwas Zeit hätten?“ Schließlich könnte Mrs. Olmstead auch etwas wissen, falls ihr Mann mit ihr über seine Begegnung mit Kirk gesprochen hatte.
„ Was wollten Sie denn von Ken?“
„ Ich suche im Auftrag einer Klientin ihren Bruder. Er war Soldat und wohl ein Kamerad Ihres Mannes. Ihr Mann hat unserer Klientin mitgeteilt, er habe den Vermissten gesehen. Sagt Ihnen der Name Marty Kirk etwas?“
Mrs. Olmstead nickte. „Kommen Sie doch rein.“ Sie gab die Tür frei und lud Rya mit einer Handbewegung ein, näherzutreten.
Rya folgte der Einladung und
Weitere Kostenlose Bücher