Gefaehrliche Spur
fünf steinernen Stufen zur Straße. Es handelte sich um ausgesprochen flache St u fen. Dass man sich bei einem Sturz auf eine der Kanten den Schädel au f schlagen konnte, war zwar wahrscheinlich, aber um sich das Genick dabei zu brechen, musste man extrem unglücklich fallen. Doch solche Unglücke pa s sierten.
Warum hatte Sharon Kirk ihren Bruder nicht sofort suchen lassen, nac h dem sie von Ken Olmstead erfahren hatte, dass er in Portland war? Keine Zeit war kein glaubhaftes Argument. Um Your Eyes zu engagieren, hätte ein Anruf genügt und die Mittagspause für die erste Besprechung, denn Jasons Ermittler kamen auf Wunsch ins Haus oder ins Büro eines Klienten. Rya entschied, dass es nicht schaden konnte, wenn sie auch Sharon Kirk genauer unter die Lupe nahm.
Sie fuhr in Richtung Hafen und hielt unterwegs an einem Diner, um etwas zu essen. Der Diner besaß auch ein Münztelefon mit einem Telefonbuch daneben. Zwar war das zerfleddert, und es fehlten etliche Seiten, aber die, auf der die Obdachlosenheime gelistet waren, existierte noch. Rya gab die Adre s sen und Telefonnummern in ihr Smartphone ein, um sie der Reihe nach a b zuklappern. Es waren sowieso nur drei und die Adresse einer Organisation, die sich Aid for the Homeless nannte.
Während sie auf ihr Essen wartete und zu ignorieren versuchte, dass nicht nur die Bedienung, sondern auch fast alle Leute mehr oder weniger versto h len ihre Narbe anstarrten, rief sie Jason an.
„ Alles okay, Rya?“, fragte er, kaum dass sie Hallo gesagt hatte.
„ Ja, alles bestens.“ Das klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Einerseits fand sie es nett, dass er sich um sie sorgte. Andererseits gab er ihr das Gefühl, dass er sie für eingeschränkt kompetent hielt. „Sag mal, Jason, hat Sharon Kirk eine Begründung dafür angegeben, warum sie Monate gewartet hat, ehe sie ihren Bruder in Portland gesucht hat und danach noch mal Monate wart e te, ehe sie uns engagierte? Das kommt mir merkwürdig vor. In der Akte habe ich nichts darüber gefunden.“
„ Nein, nichts, sonst hätte ich es in der Akte vermerkt. Hast du einen Ve r dacht?“
„ Außer dem, dass ihr Bruder ihr im Grunde genommen komplett am Arsch vorbeigeht und sie mit beiden Aktionen nur ihr Gewissen beruhigen wollte? Nein. Aber ich werde mal nachforschen, ob es nicht noch einen anderen Grund gibt. Marty Kirks Kamerad hat sich deshalb nicht mehr bei ihr geme l det, weil er tot ist. Ein Unfall. Das muss sie aber erfahren haben, als sie hier war. Schließlich ist er logischerweise die erste Anlaufstelle. Warum hat sie uns das nicht gesagt? Außerdem behauptet die Witwe, dass sie sich nicht bei ihr gemeldet hat, und ich glaube ihr.“
„ Gute Frage. Finde es heraus. Und wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen.“
„ Alles klar.“ Sie unterbrach die Verbindung, bevor er Zeit hatte zu antwo r ten.
Sie brauchte keine Hilfe, da es sich nicht um einen Job mit Observationen handelte. Solche Aufträge wurden sowieso im Team erledigt. Für Nachfo r schungen wie diese war nur ein einziger Ermittler erforderlich. Sobald sie nachher wieder im Hotel war, würde sie über Sharon Kirk recherchieren. Jetzt waren erst einmal die Obdachlosenunterkünfte und Aid for the Home l ess an der Reihe.
*
Orrin Lawson starrte den Versicherungsvertreter an und versuchte zu e r gründen, was der dachte.
Vielmehr ob er mit Morton Caine unter einer Decke steckte. Doch Caspar Jefferson machte einen seriösen Eindruck und strahlte bei aller Professional i tät eine Herzlichkeit aus, dass Orrin sich nur schwer vorstellen konnte, dass er mit einem Verbrecher wie Caine gemeinsame Sache machen könnte. D a gegen sprach auch dessen Verwunderung über die Konditionen der Leben s versicherung, die Orrin gemäß der Vereinbarung mit Caine bei MyKiP Ins u rance abschließen musste.
„ Es ist wirklich sehr großzügig von Ihnen, die Lebensversicherung im Falle Ihres hoffentlich noch Jahrzehnte entfernten Todes zugunsten einer Stiftung für Künstler abzuschließen. Sieben Millionen ist eine wirklich mehr als gro ß zügige Summe. Und dass Sie alles auf einen Schlag einzahlen wollen, ist ebe n falls ungewöhnlich.“ Er sah Orrin in die Augen und fragte zum dritten Mal während der letzten halben Stunde: „Sind Sie sicher, dass Sie das wirklich so wollen?“
„ Vollkommen, Mr. Jefferson.“ Orrin lächelte gezwungen. „Ich kenne mich und fürchte, dass ich das Geld anderweitig verbrauchen werde, wenn ich es nicht sofort
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