Gefaehrliche Tiefen
heiÃen Sie?«, fragte Sam.
»Bergit«, krächzte die Frau.
Nachdem er alle Schnorchler an Bord gehievt hatte, kehrte Kyle an die Seite seiner verletzten Passagierin zurück. Mit seinen zerzausten, sonnengebleichten Locken, die unter seiner Baseballkappe hervorlugten, dem gelben T-Shirt und den abgeschnittenen Shorts wirkte er keinen Tag älter als zwanzig. Sie fragte sich, was für ein windiger Reiseveranstalter wohl auf den Einfall gekommen war, einem Jungen, der noch grün hinter den Ohren war, bei rauer See ein Boot voller Schnorcheltouristen anzuvertrauen.
Kyle griff nach einem Klemmbrett mit einer Liste, das auf einem Sitz in der Nähe lag. Mit einem feuchten Finger fuhr er an der Liste entlang. »Bergit Moller.« Er blickte auf das Opfer und schnitt eine Grimasse. »Ich sollte wohl die Zentrale anrufen.«
»Sie müssen sie ins Krankenhaus bringen«, sagte Sam. Die heruntergekommene, überfüllte Klinik, die sie gesehen hatte, konnte mit Sicherheit nicht die einzige medizinische Einrichtung auf den Inseln sein. »Und sie müssen die Polizei verständigen.«
Eduardo und Kyle diskutierten etwas auf Spanisch, wahrscheinlich, wer was als Nächstes tun sollte.
Die anderen fünf Touristen unterhielten sich aufgeregt miteinander. Eine der Frauen kniete sich neben Bergit und nahm deren Hand. Dabei murmelte sie aufmunternde Worte. Ganz in der Nähe durchschnitt die Rückenflosse eines Hais kurz die Wasseroberfläche. Die Touristen drehten sich um und deuteten auf weitere Haie, die in dem klaren Wasser gut zu erkennen waren.
Das grelle Sonnenlicht schien alles zu verlangsamen. Sams Kopf schmerzte. Stechende, flackernde Lichtblitze zuckten durch ihr Gesichtsfeld. Gerade eben war sie noch mit dem Gefühl, eins mit dem Riff zu sein, zwischen all den erstaunlichen Kreaturen dahingetrieben. Und dann, ehe sie wusste, wie ihr geschah, Zeugin eines Mordanschlags geworden.
Sie kniff die Augen zusammen, um die Schmerzen zu vertreiben. »Wer hat das andere Boot gesehen?«
Ratlose Blicke. »Das andere Boot, das mit dem roten Rumpf, das auf Bergit zugerast ist?«, verdeutlichte sie.
Das mit dem Killer an Bord, der auf Zing geschossen hat.
Das einander ähnliche Paar â eindeutig Mutter und Tochter â schüttelte die Köpfe, und nach einer schnellen Ãbersetzung durch die korpulente Frau taten die anderen ausländischen Touristen es ihnen nach. Sam sah Eduardo und Kyle prüfend ins Gesicht. Nein und Nein.
J . J. hob die Schultern. »Ich habe nur noch die Heckwelle gesehen.«
Na groÃartig! Hatte sie als Einzige überhaupt etwas mitbekommen? Und alles, was sie beschreiben konnte, war ein roter Rumpf. Sie setzte sich hin und rieb sich die Stirn. Der Kabinenkreuzer schaukelte auf den Wellen. Ihr Kopfschmerz ging in ein heftiges Hämmern über. Blitze, in deren Zickzackformen helle Sterne zerplatzten, zuckten durch ihr Blickfeld. Sie schloss kurz die Augen. Es half nichts. Also öffnete Sam sie wieder und taumelte zur anderen Bootsseite hinüber, während sie gegen die Wellen von Ãbelkeit ankämpfte, die in ihr aufstiegen.
»Eduardo, lass uns zur
Papagayo
zurückfahren«, sagte sie und krabbelte ins Schlauchboot. »Dies Boot hier muss auf schnellstem Weg zurück nach Puerto Ayora, damit Bergit ins Krankenhaus kommt.«
J . J. folgte ihr und zog sie neben sich auf die Sitzbank. »Ist mir dir alles in Ordnung?«
»Klar, warum nicht? Weil ich mit angesehen habe, wie jemand angeschossen wurde?«
»Du umklammerst deinen Ellbogen, als würde er wehtun.«
»Tut er auch.« Was, jetzt wo sie darüber nachdachte, ein wenig merkwürdig war. Sie konnte sich nicht erinnern, sich irgendwo gestoÃen zu haben. AuÃerdem kribbelte ihr rechter Arm, als wäre er eingeschlafen.
»Und du torkelst.«
»Hast du den Teil über den Mordversuch verpasst? Da würdest du auch ins Torkeln kommen. Und auÃerdem habe ich unglaubliche Kopfschmerzen.« Sie vergrub den Kopf in den Händen und schirmte ihn vor dem grellen Sonnenlicht ab.
Sam spürte, wie J . J. aufstand und auf den Kabinenkreuzer hinübersprang. Doch bereits nach einer Minute war sie wieder zurück und schüttelte ihren Arm. »Hier.«
Sam hob den Kopf. J . J. fuchtelte mit einer Plastikmaske vor ihrem Gesicht herum. Ein Plastikschlauch verband die Maske mit einem Behälter, auf dem OXIGENO stand. Sam winkte ab.
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