Gefaehrliche Tiefen
»Ich brauche keinen Sauerstoff.«
»Ich glaube schon. Wir müssen dich wieder auf das andere Boot schaffen. Du musst mit nach Puerto Ayora. Ich habe gerade deinen Tauchcomputer überprüft. Du bist wahnsinnig schnell aufgetaucht.«
Mäkelte J . J. jetzt auch noch an ihren Tauchfähigkeiten herum? Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Als würden die mörderischen Kopfschmerzen noch nicht ausreichen! »Das würdest du wohl auch, wenn über dir jemand verblutet.«
J . J. drückte Sam die Plastikmaske auf das Gesicht. »Schon mal von der Taucherkrankheit gehört?«
Die Taucherkrankheit â DCS â
Decompression Sickness,
oder auch Caissonkrankheit. Stickstoffblasen im Blut, die sich überall dort ausbreiteten, wo sie nichts zu suchen hatten. Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte, Lähmungen. Reiner Sauerstoff war gut, aber in wirklich schweren Fällen half nur der Aufenthalt in einer Druckkammer.
»Eduardo!« Sam gab ihm zu verstehen, dass er zu ihnen herüberkommen sollte.
Er krabbelte ins Schlauchboot. »Aber Sam â¦Â«
»Wir behalten den Sauerstoff«, rief sie Kyle zu. »Fahrt los!«
Laut röhrend sprang der starke Motor des Kabinenkreuzers an, und eine bläuliche Abgaswolke trieb in ihre Richtung.
»Sam!« J . J. rüttelte an ihrem Arm. »Sei nicht blöd!«
Das Schnorcheltourboot fuhr davon und lieà ihr Schlauchboot, das in seiner Heckwelle auf und ab hüpfte, hinter sich zurück.
»Hier gibt es nur eine einzige Dekompressionskammer«, erklärte sie J . J.
»Aber die ist â¦Â«, setzte Eduardo an.
»AuÃer Betrieb«, beendete Sam den Satz.
Im selben Moment sagte Eduardo: »Kaputt.«
J . J. machte ein entsetztes Gesicht.
Sam nahm einen tiefen Atemzug von dem kalten Sauerstoff. Der Schütze hatte das falsche Ziel erwischt, aber vielleicht hatte er Zing ja trotzdem erledigt. Sam rutschte von der Sitzbank und sackte auf dem Boden zusammen.
18
Ein harter StoÃ, der sie vom Bootsboden hochschleuderte, lieà Sam wieder zu sich kommen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, was die Wolken zu bedeuten hatten, die mit schwindelerregendem Tempo über ihrem Kopf dahinjagten. Etwas aus Plastik blockierte ihr Sichtfeld, und sie wollte es wegziehen.
Eine dunkelhäutige Hand hinderte sie daran. »Einfach entspannen und atmen«, sagte J . J. Starke Finger hoben ihren Kopf an und schoben ihr ein Polster unter.
Erneut wurde sie von unten durchgerüttelt. Immer noch in ihrem Taucheranzug lag sie auf dem Boden des
Panga
, das zur
Papagayo
zurückraste. Die Wucht, mit der der Bug in die Wellen knallte, verschlimmerte ihre Kopfschmerzen. Die Taucherkrankheit, sie hatte die Taucherkrankheit. Und es gab keine Dekompressionskammer. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, den kühlen, reinen Sauerstoff einzuatmen.
Würde sie auf den Galapagosinseln sterben? Das wäre das Letzte! Das hatte ihr Tropenurlaub werden sollen, ihr gut bezahlter Beitrag in Sachen Naturschutz. Wie zum Teufel hatte alles dermaÃen aus dem Ruder laufen können? Zuerst Dan, und jetzt Bergit ⦠Oh Gott, war die arme Frau etwa angeschossen worden, weil sie aussah wie eine erfundene Figur?
»Die Kugeln!« Sie versuchte, sich aufzusetzen. »Wir müssen die Kugeln finden.«
»Nein, müssen wir nicht.« J . J. drückte sie zurück auf den Boden. »Wir sind hier nicht bei CSI .«
Wie Ferien würde es werden, hatte Wyatt gesagt. Ja, Ferien in einem Horrorfilm! Arglose Touristen landen in einem von Dämonen geführten Hotel und werden einer nach dem anderen ermordet. Zings Berichte hatten dazu geführt, dass eine unschuldige Fremde angeschossen worden war. Und momentan sah es ganz so aus, als würde ihr Alter Ego WildWest, auch bekannt als die gute, alte Summer Westin, als Kollateralschaden enden. Sie hatte die Taucherkrankheit, und das mitten im Nirgendwo. In ihren Händen kribbelte und stach es. In jeder einzelnen Tauchzeitschrift, die sie gelesen hatte, fand sich ein Bericht über jemanden, der an der Taucherkrankheit gestorben oder deswegen im Rollstuhl gelandet war.
Eigentlich hatte sie nicht den Eindruck, dass sie sterben würde. Aber das dachte vielleicht jeder Betroffene in seinen letzten Momenten auf dieser Erde. Warum war sie nicht bei Chase eingezogen, hatte kochen gelernt und glücklich mit ihm zusammengelebt bis an ihr seliges
Weitere Kostenlose Bücher