Gefaehrliche Tiefen
immer bleiben.
Ein Schatten zog über ihre Köpfe. Sam sah hoch, doch statt des erwarteten Schiffsrumpfs zeichnete sich die Silhouette einer Frau vor der glitzernden Wasseroberfläche ab. Sie schnorchelte, und ihr langes rotes Haar wogte im Wasser auf und ab. Sie trug einen schwarz-weiÃen Taucheranzug, der dem von Zing auf ihrem
Out There
-Foto ähnelte. Sam hatte das bizarre Gefühl, als hätte ihr Cyber-Ich sich materialisiert, um ihr bei dieser Expedition Gesellschaft zu leisten.
Noch mehr dunkle Schatten schaukelten über ihr in den Wellen. Ein Schnorchelausflug. Ihr Boot war vermutlich an derselben Boje vertäut wie Eduardos
Panga
. Was für ein Pech für die Touristen! Vielleicht aber auch schlechte Planung von Seiten des Reiseführers. Ihr würde es mit Sicherheit keinen Spaà machen, bei solchem Seegang zu schnorcheln.
Wo war J . J.? Sam richtete sich im Wasser auf, stellte die Kamera wieder auf Videomodus und drehte sich, auf der Suche nach ihrer Tauchkumpanin, langsam um die eigene Achse. Unglaublich, wie mühelos man sich in der Schwerelosigkeit des Wassers bewegen konnte. Meerjungfrauenmagie. Sie entdeckte J . J., die in einiger Entfernung sorgsam die Riffoberfläche inspizierte und von einem Schwarm Kalifornischer Engelfische fast verdeckt wurde.
Der Widerhall eines Bootsmotors über ihren Köpfen brach den Zauber. Die Schnorchlerin trieb immer noch an der Oberfläche dahin, aber der Kiel eines Schnellbootes durchschnitt das Wasser und näherte sich ihr rasch. Sam rollte sich auf den Rücken, voller Sorge, dass sie gleich mit ansehen würde, wie die Frau von dem Boot überfahren wurde. Sie hob die Kamera, um den Vorfall zu filmen. In letzter Minute drehte das Schiff ab und hielt neben der Schnorchlerin, wobei es eine Welle in ihre Richtung drückte. Sie hob den Kopf mit der Taucherbrille in Richtung Boot, ihre FüÃe sanken nach unten. Die Welle überrollte sie, und sie trat einen Moment lang Wasser. Anscheinend sprach sie mit den Bootsfahrern.
Dann sank ihr Gesicht mit der Maske zurück ins Meer und wieder trieb sie, alle viere von sich gestreckt, auf der Wasseroberfläche neben dem Boot dahin. Dann röhrte der Bootsmotor los, der Körper der Frau tanzte auf und ab und etwas zischte unter ihr hindurch. Winzige, silberne Fischchen? Sam konnte sich keinen Reim auf den Anblick machen.
Das Schnellboot brauste davon. Und um die Schnorchlerin, die jetzt wild um sich schlug, breitete sich eine rote Wolke aus. Eine Welle traf sie, und Sam hörte gedämpfte Geräusche, die nach entfernten Schreien klangen.
Gütiger Himmel!
Sam strampelte an die Oberfläche. Sie kam direkt unter der Schnorchlerin heraus und drückte sie in Rückenlage. In den dunklen Augen der Frau stand Panik. Sie stieà unverständliche Geräusche aus, was kein Wunder war. Sie hatte Probleme, sich über Wasser zu halten, da sie beide Hände auf eine Schusswunde in ihrer rechten Wade presste, aus der Blut strömte. Sie fuchtelte herum, streckte eine blutige Hand nach Sams Schulter aus und ging dann unter.
Sam lieà ihre Kamera los und griff nach der Hand der Frau. Sie spuckte ihren Atemregler aus und pumpte zusätzliche Luft in ihre Tarierweste, damit sie auch ohne Schwimmbewegungen zurechtkam. Hustend und spuckend tauchte die Schnorchlerin wieder auf und schrie etwas in einer fremden Sprache.
»Ganz ruhig«, sagte Sam laut. »Ich habe Sie.«
Die Frau griff nach Sams Arm und hätte sie, wäre ihre Tarierweste nicht aufgeblasen gewesen, unter Wasser gedrückt. Mit Mühe gelang es Sam, die andere Frau auf den Rücken zu drehen und von hinten die Arme um sie zu schlingen. »Ich habe Sie«, murmelte sie beruhigend. »Alles wird gut. Sie sind in Sicherheit.«
Das hoffte sie zumindest. Sie konnte nicht umhin, sich auszumalen, wie sie beide, strampelnde Beine inmitten einer Blutwolke, auf den Riffhai oder die Barrakudas, die sie nur wenige Minuten zuvor gesehen hatte, wirken mussten.
»He! Hilfe!« Sam brüllte in Richtung Boje, wo ein kleiner Kabinenkreuzer neben ihrem Schlauchboot festgemacht hatte. Eine Welle klatschte an ihr rechtes Ohr und schlug dann über ihrem Kopf zusammen.
Die Boote erschienen ihr unerreichbar weit weg. Niemand rührte sich. Die anderen dunklen Neopren-Gestalten im Wasser gaben nicht den kleinsten Mucks von sich. Waren sie etwa alle erschossen worden?
Sam schwamm mit kräftigen
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