Gefaehrliche Tiefen
übersetzte mit heiserer Stimme: »Wir bringen sie jetzt rein. Lebend, selbstverständlich.«
Sam konnte sich nicht entscheiden, ob sie das als unheilvoll oder beruhigend auffassen sollte. Sie hatte die Nase gestrichen voll davon, nie zu wissen, was vor sich ging, dass sie sich fühlte wie ein Mäuschen in einem endlosen Katz-und-Maus-Spiel.
»Offenbar sterben wir heute doch nicht«, sagte J . J.
Ayala verstaute das Telefon in seiner Tasche, klappte das Fach zwischen den hinteren Sitzen hoch und holte grobe Wolldecken heraus, die er über Sam und J . J. warf. Er drückte Sam den Aufsatz einer Thermoskanne, gefüllt mir brauner Flüssigkeit, in die Hand. Als sie keine Anstalten machte, das Ding an den Mund zu führen, hielt er es ihr an die Lippen. Wieso waren alle immer so scharf darauf, dass sie Kaffee trank? Sie bewegte die Lippen, um zu sagen, dass sie keinen wollte, aber da schüttete er ihr die Brühe bereits in den Rachen. Gar nicht mal so übel. Lauwarmer Kaffee, er brannte trotzdem. Wahrscheinlich war irgendein Schnaps drin.
»Mit wem hast du geredet?«, fragte Sam.
»
Papagayo
.« Ayala goss den Becher wieder voll und reichte ihn J . J. Nach einer weiteren Minute hörte Sams Zähneklappern auf, sie hatte ihren Kiefer endlich wieder unter Kontrolle. Beruhigend.
Als ihre Beine sich berührten, spürte Sam, dass Schüttelfrost J . J. peinigte. Die perfekten Zähne schlugen beim Trinken gegen den metallenen Thermosbecher. Ayala ging wieder nach vorne. J . J. blickte ihm nach. »Schweine«, knurrte sie.
Offenbar hatte sie so laut gesprochen, dass die beiden Männer sie hörten. Eine Flut von Entschuldigungen, auf Englisch und Spanisch, brach über sie herein. Das meiste ging im Motorenlärm und im Wind unter, aber
es tut uns leid
war zwanzigmal zu vernehmen. Sam schnappte auch noch das Wort
Angeln
auf. Plötzlich fiel ihr auf, dass der Brocken, über den sie ihre Beine ausgestreckt hatte, keine zusammengerollte Plane, sondern eine riesige Makrele war. Die glatten silberfarbenen Schuppen verloren in dieser für den Fisch fremden Welt ihren Glanz.
»⦠am Haken, aber er schwimmt schnell davon«, brüllte Ayala. »Wir folgen ihm, nicht weit von Felsen weg.«
»Damit die Leine nicht reiÃt«, stimmte Guerrero ein.
Aber so leicht war J . J. nicht zu besänftigen. »Ihr hättet uns beinahe umgebracht«, fauchte sie die beiden an.
»Ja.« Sam konnte kaum glauben, dass eine derart blöde Ergänzung aus ihrem Mund kam. Vorsichtshalber presste sie die Lippen fest zusammen.
»Aber alles endet gut, oder?«, rief Ayala, übers ganze Gesicht strahlend. »Ihr seid in Sicherheit, wir sind hier, wir haben diesen ausgezeichneten Fisch.«
Sam stieà sich mit den FüÃen von diesem ausgezeichneten Fisch ab und benutzte sein Gewicht, um sich in eine aufrechtere Stellung zu schieben. Mit der Hand rieb sie sich über die schmerzende Stirn, dann lehnte sie sich an den gepolsterten Rücksitz. Sie waren unterwegs Richtung Osten, zum Liegeplatz der
Papagayo
. Der Leuchtturm auf Wolf Island verschwomm bereits schemenhaft in der Ferne, in der blendenden Helligkeit kaum noch zu erkennen. Wo war ihre Sonnenbrille? Im nächsten Moment fragte sie sich, ob sie die Frage laut gestellt hatte, denn Ayala reichte sie ihr, zusammen mit einer Papiertüte und einer Dose Mineralwasser. »Guten Appetit.«
Ayala half J . J. auf die gepolsterte Bank hoch und breitete ihr sorgfältig eine Decke um die Beine. Eine zweite legte er ihr auf den SchoÃ, dann ging er wieder zum Bug. Sam blieb auf dem Boden liegen, kaute vorsichtig, um sich bei dem Wellengang nicht erneut auf die Zunge zu beiÃen.
»Werfen wir ihren ausgezeichneten Fisch einfach über Bord, J . J.«, schlug sie vor.
»Vielleicht, wenn wir die
Papagayo
erreicht haben.«
Ja, richtig, noch waren sie nicht endgültig in Sicherheit. Aber lange würde es nicht mehr dauern. Hatten die beiden vorgehabt, sie umzubringen? Waren sie durch diesen Anruf von der
Papagayo
gerettet worden? Hatten sie das Eduardo zu verdanken? Jedenfalls war sie froh, noch am Leben zu sein. Sie drehte sich ihrer Tauchpartnerin zu. »Wir haben es geschafft, J . J. Das war der letzte Ort auf Dans Liste.«
J . J. hielt die rechte Hand hoch. Sam schlug matt ein.
Sie würde noch die Artikel für den heutigen Tag schreiben, dann war dieser irre Job für sie
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