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Gefaehrliche Tiefen

Gefaehrliche Tiefen

Titel: Gefaehrliche Tiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela S. Beason
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hier war kein Ort für einen friedlichen Tod.
    Zing würde sich nicht entmutigen lassen. Zing würde überleben. Mit aller Kraft stieß sich Sam von den Felsen ab. Ihre bleischweren Arme machten jeden Schwimmzug zur Qual. Nur noch hundert Züge, sprach sie sich Mut zu. Dann durfte sie sich ausruhen. Eins. Zwei. Drei. Wahllos tauchten vor ihren Augen Bilder jener Männer auf, die ihr etwas bedeuteten: Ihr Mitbewohner Blake, der in einem Treibhaus für zwölf Dollar die Stunde schuftete. Vor ihrer letzten Eskapade hatte sie ihm in ihrem Testament das Haus vermacht, damit er wenigstens eine Bleibe hatte. Würde er sich um ihren Kater Simon kümmern? Würde er nett zu Maya sein? Fünfundzwanzig. Sechsundzwanzig … Chase. Was würde er mit dem scharfen pinkfarbenen Skianzug machen? Zweiunddreißig … Sie log sich in die eigene Tasche. Wahrscheinlich standen die Frauen bei ihm Schlange, ihm den Anzug bereitwillig abzustreifen. Vielleicht war er im Moment bei einer von ihnen. Falls er noch lebte.
    Statt Luft drang Wasser in ihre Lungen. Gleich hustete sie alles wieder aus, nicht ohne wild um sich zu schlagen. Fünfundvierzig, sechsundvierzig … Adam Steele. Ex-Liebhaber, hübscher Blödmann, charmanter, ehrgeiziger Pseudofreund. Zu Weihnachten hatte er ihr eine Kaffeetasse geschenkt, auf der eine Frau abgebildet war, die mit Wölfen heulte. Was wollte er damit sagen? Sechzig, einundsechzig … Ihr Vater. Sie hörte Reverend Westin mit seiner tiefen Stimme am Grab ihren Nachruf sprechen.
Sie starb am Ende der Welt, an einem Ort, von dem keiner je etwas gehört hat. So war Summer. Immer Vögeln, Echsen und Pumas auf der Spur.
Dass sie nie geheiratet, keine Kinder hatte, war für ihn eine bittere Enttäuschung gewesen. Auch, dass sie nie zum Glauben zurückgefunden hatte.
    Der Neoprenanzug blieb am Ellbogen an einem der Drachenzähne hängen. Sie stemmte sich mit den Knien gegen den Felsen, um sich loszureißen. Vierundsiebzig … fünfundsiebzig … Dan. Herrje.
Dan, ich habe mein Bestes gegeben.
    Glaubst du das wirklich?,
fragte ihr Gewissen sarkastisch.
Willst du tatsächlich den anderen den Sieg überlassen?
    Sie war ein Komplettausfall. Ihre Glieder fühlten sich an, als wären sie aus Holzstein. Die Luft, die durch den Schnorchel kam, schien zu zähflüssig zum Atmen.
    J . J. schrie wieder, irgendwo über ihr. Unfähig, den Kopf zu heben, folgte sie dem Lärm. Endlich hatte sie sich von dem Drachenzahn befreit, konnte aber die Arme kaum noch heben und wechselte zu einem behäbigen Brustschwimmen über. Siebenundachtzig … achtundachtzig … Nicht mehr lange, und sie hatte wirklich ihr Bestes gegeben. Dann konnte sie einfach aufhören, sich auf den Meeresboden sinken lassen und sich wie ein Stachelrochen im Sand einbuddeln. Vierundneunzig … siebenundneunzig …
    J . J.s Geschrei wurde immer lauter. Sie brüllte regelrecht. Wahrscheinlich, weil Sam zurückfiel, sich treiben ließ und immer länger unter Wasser blieb, um Ruhe und Frieden zu finden. Sie schlug die Augen auf. Die Sonnenstrahlen funkelten wie Diamanten auf der blaugrünen Oberfläche.
    Das Brüllen steigerte sich weiter. Sie schloss zu J . J. auf. Zwischen den Wellen entdeckte Sam die dreieckige Gestalt des Schiffsrumpfs, der auf sie zusteuerte, die lange weiße Rauchfahne der Motoren. Zwei Silbertorpedos begleiteten das Boot, sprangen hoch und tauchten unter. Schon wieder diese verdammten Delfine.
    Vielleicht würde sie ja doch noch nicht sterben. Der Bug kam mit rasender Geschwindigkeit näher. Konnte der Steuermann sie im Wasser überhaupt sehen? Das Schiff hielt direkt auf sie zu. Sollte sie nach unten wegtauchen, um sich in Sicherheit zu bringen? Aber dazu brachte sie nicht mehr die Kraft auf. Ihre Glieder waren taub. Keine Spur mehr von den Delfinen. Vielleicht lungerten die hier irgendwo herum und warteten gemeinsam mit den Haien darauf, dass Guerrero und Ayala ihr und J . J. endgültig den Garaus machten.

22
    Das Boot fuhr lange im Leerlauf vor sich hin. Für Sam sah es aus, als führte sein Kurs genau über ihren Bauch. Sie würde direkt in der Mitte entzweigeschnitten werden. Schnell versuchte sie, seitlich wegzuschwimmen, um sich in Sicherheit zu bringen. Als dann der Rückwärtsgang eingelegt wurde, entfalteten die beiden Motoren plötzlich eine starke Sogwirkung. Sam konnte den Kopf kaum

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