Gefaehrliche Tiefen
»Morgen Abend komme ich zu dir.« Sollte sie das etwa beruhigen? Eduardo kletterte sofort wieder auf das Hauptdeck und mischte sich unter Touristen und Besatzung.
Die Vertreter des Staatsanwalts machten sich nicht die Mühe, ihr Handschellen anzulegen, sondern drängten sie einfach an Bord des Marineboots. Ihre beiden Matchbeutel, die Computertasche und der Fotokoffer lagen schon an Deck. Offenbar hatte man ihre Ausrüstung und Kleidung aus der Kabine geholt. Der Anblick lieà sie ein wenig Hoffnung schöpfen. Vielleicht wollte man sie auch nur in ein Flugzeug setzen und möglichst rasch auÃer Landes schaffen.
Das Boot der Marine legte ab, und die Touristen und die Mannschaft der
Papagayo
verfolgten das Schauspiel. Abigail Birsky drückte sich eine Faust gegen die Brust, als müsse sie einen Herzinfarkt niederkämpfen. »Gott segne dich, Sandy«, rief sie schüchtern.
Sandy Robertson schaute die ältere Frau von der Seite an. Ron Birsky beugte sich vor und flüsterte seiner Frau etwas ins Ohr. Wahrscheinlich, dass sie Sam mit falschem Namen angeredet hatte. Ken reckte die geballte Faust in die Luft. Was sollte das bedeuten?
Kämpfe? Bleib stark?
Sandy Roberson lächelte und deutete ein Winken an.
Gute Fahrt?
Sobald die
Papagayo
auÃer Sicht war, steckten die Polizisten die Pistolen weg. Auch auf dem Weg zurück nach Puerto Ayora verzichteten sie auf Handschellen. Ein Matrose half ihr beim Verstauen ihrer Habseligkeiten. Sam hob die Computertasche hoch und spürte erleichtert das Gewicht des Laptops. »Und mein Telefon?«, fragte sie.
Schwartz zog es aus der Tasche seines Hemds, schaltete es ein und hielt es ihr hin. Sie konnte eine lange Reihe von SMS sehen, doch bevor sie Gelegenheit hatte, die Absender zu lesen, klappte er das Handy zusammen und steckte es wieder ein.
»Darf ich nicht telefonieren?«
»
Más tarde
«, knurrte Schwartz.
Montero übersetzte nicht ganz korret. »Späterer.«
In einer winzigen Innenkabine zog Sam sich eine trockene Khakihose und ein T-Shirt an. Officer Montero sah ihr dabei zu, Schwartz und Aguirre warteten drauÃen vor der Tür. Danach gingen sie alle zusammen auf die Brücke zu den beiden Marineoffizieren.
Während das Schiff das dunkelblaue Wasser durchpflügte, verzehrten die Polizisten und die Offiziere Sandwiches und unterhielten sich auf Spanisch. Hin und wieder lachten sie. Offensichtlich kannten sie sich.
Abgesehen von gelegentlichen kurzen Blicken über die Schulter beachteten sie Sam nicht besonders. Sie hätte unbehelligt aus der Tür rennen und über Bord springen können. Aber was dann? Wasser treten mit nichts als endlosem Meer und geselligen Haien um sich? Am Ende erhofften sich die Männer von ihr so eine Verzweiflungstat.
Sie aà ein Sandwich und trank ein Glas Orangensaft, das ihr Schwartz gegeben hatte, dann streckte sie sich auf der Bank in der Kabine aus. Ihre Kraft würde sie für die kommenden Aufgaben schonen.
Nach dem Anlegen in Puerto Ayora sagte Aguirre
adiós
und schlenderte davon. Schwartz und Montero blieb es vorbehalten, ihr Handschellen anzulegen und sie durch die Stadt zu führen. Seltsam, dass sie kein Streifenwagen erwartet hatte. Aber dann, als immer mehr interessierte Gesichter an den Fenstern auftauchten und unter den Lampen der StraÃencafés hervorlinsten, ging ihr langsam ein Licht auf. Sie war die Hauptattraktion in einem Galapagos-Performance-Stück. Sie richtete sich auf und versuchte, einen Ausdruck von Empörung und Unschuld zu vermitteln.
Das Gefängnis von Puerto Ayora, ein kleiner, von der StraÃe leicht zurückgesetzter Betonklotz, lag etwa zwei Blocks entfernt. Das ÃuÃere erinnerte Sam an ein Häuschen der Wasser- oder Elektrizitätswerke. Als sie eintraten, betätigte Schwartz den Lichtschalter. Das Gebäude bestand aus einem kleinen schmucklosen Vorraum mit einem Schreibtisch und, hinter einer Trennwand, einem schmalen Gang, der zu lediglich zwei Zellen führte. Offenbar rechnete die Regierung nicht mit einem starken Anstieg der Verbrechensrate. Ein stechender Geruch â zu gleichen Teilen Urin, abgestandenes Bier und Ammoniak â füllte den hinteren Teil. Hätte Sam eine Hand frei gehabt, hätte sie sich die Nase zugehalten.
In der ersten Zelle lagen zwei Männer in zerfetzter Kleidung auf ihren Liegen, beide mit dem Arm über den Augen.
Montero drückte Sam gegen die
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