Gefaehrliche Tiefen
herum geriet ins Schwanken, und sie musste sich an der Stuhllehne festhalten. Wie viel Wein hatte sie bereits intus?
Schwartz lieà einen Schwall spanischer Wörter vom Stapel.
»Sie behalten Ihre Papiere ein paar Tage lang«, erklärte Eduardo.
»Bis wann?« Sam hatte vor, in das erstbeste Flugzeug mit Ziel USA zu steigen. Wütend starrte sie die Polizisten an. »Ich bin US -Amerikanerin!«
Aguirre schnaubte und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. Den Spruch hörte er vermutlich nicht zum ersten Mal.
Eduardo schüttelte kaum merklich den Kopf. Sein Gesichtsausdruck besagte deutlich, dass es besser war, jetzt keine Szene zu machen.
»Kann ich gehen?«, fragte sie.
»Sie sind entlassen«, bestätigte ihr Eduardo.
Schwartz fügte noch etwas hinzu.
»Vorläufig«, übersetzte Eduardo und warf ihr einen warnenden Blick zu.
10
Sam stand auf dem fleckigen Teppich, der in dem schmalen Gang lag, starrte die Tür zu Kabine Nummer vier, Dans Kabine, an und ballte abwechselnd die Fäuste und öffnete sie wieder.
Nur eine einfache Holztür in einem Metallrahmen. Sie war nicht einmal ganz verschlossen â die Polizisten hatten versäumt, sie richtig zu schlieÃen. Was hatte sie erwartet? Absperrband? Sie stieà die Tür auf.
Hinter dem Bullauge lag der dunkelgraue Rumpf des Boots mit der Aufschrift ARMADA DE ECUADOR , mit dem die Polizei gekommen war. Ein Militärboot. Laut Eduardo die normale Vorgehensweise.
Derjenige, der Dans Pass an sich genommen hatte, hatte alles andere unberührt gelassen â zumindest soweit sie das beurteilen konnte. Sie schloss die Tür und öffnete die zu ihrer eigenen Kabine. Alles sah noch so aus, wie sie es zurückgelassen hatte.
Sam trank zwei Gläser Wasser, in der Hoffnung, den Alkohol in ihrem Blut ein bisschen verdünnen zu können. Sie fuhr ihren Computer hoch, suchte im Internet die Telefonnummer der US -amerikanischen Botschaft in Quito, wählte sie an und wartete atemlos auf eine freundliche Stimme. Stattdessen schaltete sich ein Anrufbeantworter mit einer spanischen Ansage ein.
»Unglaublich!« Dem spanischen Text folgte einer auf Englisch. Die Botschaft war geschlossen; Ãffnungszeiten Montag bis Freitag von neun bis fünf; Termine mussten vorab telefonisch vereinbart werden; im Notfall wenden Sie sich an die Polizei vor Ort. Verdammt! Und wenn die Polizei vor Ort selbst der Notfall war? Die Ansage endete mit einem lauten Signalton. Hieà das, dass sie eine Nachricht aufsprechen konnte? Sie fasste die Situation zusammen, hinterlieà ihre Handynummer und beendete schlieÃlich den Anruf, ohne zu wissen, ob ihre Nachricht aufgezeichnet worden war oder ob sie nur mit einer toten Leitung gesprochen hatte.
AnschlieÃend setzte Sam ihre Suche im Internet fort und stieà dabei auf den Namen und die Telefonnummer eines US -Konsulats in Guayaquil. Als sie anrief, bekam sie die gleiche Ansage zu hören wie in der Botschaft. Auch hier hinterlieà sie eine Nachricht, ohne zu wissen, ob sie ankam.
Dann stieà sie beim Durchsehen der Informationen auf der Webseite des Konsulats auf einen Hinweis, dass sich US -Amerikaner, die auf den Galapagosinseln in eine Notfallsituation gerieten, an den Konsulatsvertreter auf der Galapagosinsel Santa Cruz wenden sollten. Na endlich! Sie setzte sich auf die untere Koje und wählte die Nummer. Wieder eine Ansage auf Spanisch. Dann folgte auf Englisch: »John Parker, Konsulatsvertreter auf den Galapagosinseln, ist bis zum 10. März nicht zu erreichen. Bei Problemen wenden Sie sich bitte an das amerikanische Konsulat in Guayaquil.«
Verdammt!
Ihr Kollege war ermordet worden, sie war vielleicht als Nächste dran, und die Polizei hatte erfolgreich verhindert, dass sie abreisen konnte. Sie sprang auf, lief verzweifelt die fünf Schritte zum Bad und wieder zurück, stieà mit dem Knie gegen den Schreibtischstuhl, wandte sich wieder Richtung Badezimmer und schlug sich die Schulter an der leicht geöffneten Schranktür an. Dieser Raum war nicht zum Auf- und Abgehen gemacht, schon gar nicht, wenn man eine halbe Flasche Wein intus hatte.
Ihr Handy klingelte. Erwartungsvoll griff sie danach.
»Sam?« Eine männliche Stimme.
»Chase?« Die Stimme klang nicht nach ihm, aber meine Güte, sie sehnte sich so â¦
»Wo zum Teufel bleiben Ihre Berichte? Sollen wir wegen Ihnen die ganze Nacht aufbleiben?
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