Gefaehrliche Tiefen
konnte Chase spüren, wie angespannt alle auf seine und Nicoles Antwort warteten.
Die Gruppe dealte also auch mit Drogen; zumindest Dread tat das. Die Geschichte lief wirklich prima. Chase warf Nicole einen Blick zu. Sie wirkte ruhig und entschlossen. Genau wie er wusste auch sie, dass sie hier gerade vor allem die Entscheidung trafen, ob sie aktive Mitglieder wurden oder die nächsten Leichen, die man in der Wüste fand. Chase richtete den Blick wieder auf die anderen. »Wir sind dabei.«
Dread grinste und reckte ihm die Faust entgegen. »Willkommen in der New American Citizen Army.«
Chase schlug mit der Faust gegen Dreads, dann lehnte er sich zurück und nahm einen Schluck von seinem Bier. Die Gruppe war also auf der Suche nach Scharfschützen. Entweder war das hier derselbe Abschaum, der letzte Woche Cisneros und die anderen erschossen hatte, oder da drauÃen gab es ein ganzes Netzwerk von bewaffneten Bürgerwehren, deren Mitglieder bereit waren, jeden zu töten, der über die mexikanische Grenze kam. Wie auch immer â Nicole und er waren gerade Mitglieder des Teams geworden.
11
Am nächsten Morgen erwachte Sam von schrillen Schreien. Als sie die Augen aufschlug, sah sie genau über sich auf dem Lichtpfosten einen Pelikan sitzen. Sie stemmte sich aus dem Liegestuhl und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Keine klebrigen Klumpen. Etwas WeiÃes schräg über ihr zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Der Kapitän winkte ihr durch das Fenster der Brücke zu. Neben ihm stand Tony.
Ihr dröhnte der Schädel. Sie konnte sich vage erinnern, dass sie überlegt hatte, hier oben zu schlafen. Offensichtlich hatte sie den Gedanken in die Tat umgesetzt. Glücklicherweise war sie anständig angezogen. Sie trug das grüne T-Shirt, das ihr auch als Nachthemd diente. Auf dem Liegestuhl lagen ihr Kopfkissen und die Decke. Die Sonne linste gerade über den schwarzen Hügel einer anderen Insel. Wie hatte sie das Lichten des Ankers, das Anlassen des Motors und das wieder vor Anker gehen verschlafen können? Die Antwort darauf gab ihr die leere, in ein zusammengeknülltes Handtuch gewickelte Flasche neben ihrem improvisierten Bett.
Der Sonnenaufgang war schmerzhaft hell. Die vom Wasser reflektierten, schräg einfallenden Strahlen lieÃen ihre Zähne schmerzen. Sie hatte einen Wahnsinnskater.
Mühsam tastete sie sich die zwei Treppen zu ihrer Kabine hinab. Unter der Dusche kehrte ihre Erinnerung allmählich zurück. Nachdem sie Kissen und Decke auf das Oberdeck geschleppt hatte, war ihr Blick auf die halbleere Flasche gefallen, die noch genau am selben Ort gestanden hatte wie früher am Abend. Auch Eduardo war oben auf dem Deck gewesen, mit einer weiteren Weinflasche, die sie gemeinsam getrunken und sich dabei in bittersüÃen Erinnerungen an Dan ergangen hatten. Zu ihrer Ãberraschung hatte Sam erfahren, dass sich die beiden Männer schon seit neun Jahren kannten. Damals hatte Dan als Doktorand in der Darwin Station gearbeitet.
Während sie sich die Zähne putzte, betrachtete sie sich stirnrunzelnd im Spiegel. Was hatte Eduardo ihr sonst noch erzählt? Irgendetwas darüber, wo Dan sich am Nachmittag aufgehalten hatte? Hatte sie ihn überhaupt danach gefragt?
Sam schnappte sich den Ausdruck der Reiseroute.
16. Februar, Insel Floreana (Charles).
Dann war dieser Lavaklumpen da drauÃen also Floreana oder Charles, oder wie auch immer man ihn diese Woche gerade nannte. Ob die Polizei wohl westlich von Isabela noch nach Dans Leiche suchte?
17. Februar, Puerto Ayora und Darwin Station.
Ja! Nach Puerto Ayora musste sie sowieso noch einmal. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich den Ort anzuschauen oder die Darwin Station zu besuchen, die als Hauptsitz für den Galapagos-Nationalpark diente und die Anlaufstelle für Wissenschaftler aus aller Welt war. Vielleicht würde sie dort jemanden treffen, der Dan kannte, jemanden, der nichts mit dem Tourismus zu tun hatte und ihr ehrlich Auskunft gab, wem sie trauen konnte und wem sie besser aus dem Weg ging. Und wenn es ihr gelingen würde, ihren Pass zurückzubekommen, könnte sie am nächsten Tag bereits abreisen.
Sie rief das amerikanische Konsulat in Guayaquil an und geriet an die mit starkem spanischen Akzent sprechende Sekretärin des Konsuls. Rasch schilderte sie ihr die Situation und sagte dann: »Die Polizei hat meinen Pass samt Visum mitgenommen.« Die folgende
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