Gefaehrliche Tiefen
zufällig Dan gefunden â¦Â«
Die Geschichte klang unglaubwürdig, selbst für ihre eigenen Ohren. Mühsam holte sie Luft und fuhr dann fort: »Sein Mundstück fehlte. Quer über Gesicht und Hals war ein Schnitt. Seine Lippen waren blau.« Beim Gedanken an Dans tote Augen hinter der wassergefüllten Taucherbrille brach ihr die Stimme.
»Tut mir leid.« Ken richtete den Blick auf die nahe gelegene Felsenküste und gab ihr so einen Moment Zeit, sich wieder zu fangen. »Was, glaubst du, ist passiert?«
»Ich habe keine Ahnung.« Sie schluckte.
Ein unangenehmes Schweigen entstand. Gedankenverloren fuhr sich Ken mit den Fingern durch die Haare. »Wo zum Teufel bleibt eigentlich Brandon? Ich sehe wohl besser mal nach, wo er steckt.« Er entfloh die Treppe hinauf.
Abigail Birsky, die einen langen Jeansrock und ein T-Shirt trug und eine Leinentasche über dem Arm hängen hatte, kam mit vorsichtigen Schritten die Treppe hinunter, die Hand fest am Geländer. Sam begrüÃte die ältere Dame und fragte sie dann: »Abigail, waren gestern alle dabei, als Sie auf Fernandina gewandert sind?«
»Alle?«
»Die gesamte Reisegruppe? Die Mannschaft? Beide Führer?«
Abigails Stirnfalten wurden noch ein wenig tiefer, während sie über die Antwort nachdachte. Nach ein paar Sekunden sagte sie: »Jon Sanders war nicht dabei.« Sie senkte die Stimme und flüsterte lächelnd: »Vermutlich hatte er Angst um seine Frisur.« Dann fuhr sie in normaler Lautstärke fort: »Jerry Roberson ist ebenfalls auf dem Schiff geblieben. Sandy sagte, er hätte Kopfschmerzen.« Nachdenklich tippte sie mit dem Daumen gegen ihre Lippe. »Eduardo war die ganze Zeit dabei und hat uns Pflanzen und Tiere gezeigt. So ein netter, junger Mann!«
Bei der Bezeichnung »netter, junger Mann« musste Sam grinsen. Aber Abigail war vermutlich zwanzig Jahre älter als Eduardo.
»Und dann, am Nachmittag, kamen Constantino und Maxim in den Dingis und haben uns beim Schnorcheln begleitet.« Abigail nickte, als wolle sie damit das Ende ihrer Bestandsaufnahme signalisieren.
»Und der Kapitän und der Rest der Mannschaft?«
Die ältere Dame zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, die sind auf dem Schiff geblieben.«
Also war unklar, wo sich Tony gestern aufgehalten hatte. Aber wenn man vom Teufel sprach â soeben düste er mit dem aufblasbaren
Panga
heran, um den zweiten Teil der Gruppe zur Insel zu bringen. Sobald er angedockt und ein Seil um eine der Klampen am Heck der
Papagayo
geschlungen hatte, wandte er sich den Benzinkanistern zu und hantierte dort mit einem Schlauch herum.
Ken, Brandon, Maxim und Ronald Birsky kamen die Treppe herunter und gesellten sich zu Sam und Abigail. Alle zusammen stiegen sie in das
Panga
und setzten sich auf die Holzbänke, während Tony den Schlauch erst in den einen und dann in den nächsten Benzinkanister steckte.
»Tony«, sagte Sam.
Er blickte auf.
»Wie heiÃen Sie mit Nachnamen?«
»
Tu apellido
«, übersetzte Maxim, wie es seine Pflicht als Führer war.
»Diaz«, murmelte Tony mit wachsamem Gesichtsausdruck.
Ihr Verdacht war also richtig gewesen. »Haben Sie einen Bruder namens Ricardo Diaz, der ein Boot namens
Coqueta
besitzt?«
Tony verzog den Mund und runzelte die Stirn. »Ich kann kein Engâ¦Â«
Rasch übersetzte Maxim Sams Frage. Tony starrte ein paar Sekunden still auf das Wasser. Es war offensichtlich, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Dann feuerte er ein paar wütende spanische Sätze auf Maxim ab und schaltete den Motor so abrupt in den Rückwärtsgang, dass sich alle an ihren Sitzplätzen festklammerten. Nachdem er den Vorwärtsgang eingelegt hatte, lenkte er das
Panga
in Richtung der Insel und hielt den Blick stur nach vorne gerichtet.
Maxim beugte sich zu Sam. »Er sagt, Ricardo Diaz hat denselben Vater, aber sie stehen sich nicht nahe.«
»Verstehe«, erwiderte Sam. »Daher die Ãhnlichkeit.« Ihre Beobachtungsgabe funktionierte also noch immer einwandfrei â die Ãhnlichkeit zwischen Ricardo und Tony war nicht irgendeiner paranoiden Vorstellung entsprungen. Tony sah sie kurz an, und sie lächelte ihm zu, um ihm zu zeigen, dass sie ihm nichts Böses wollte, doch er richtete den Blick sofort wieder auf die Insel.
Maxim beugte sich noch näher und murmelte: »Diaz hat Tonys Mutter
Weitere Kostenlose Bücher