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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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imstande, richtig? Sie sind ein Schwächling! Sie drehen Ihr Fähnchen einfach andersherum und geben vor, nicht zu sehen, was Ihren Lordschaften nicht in den Kram paßt. Sie nehmen Percival fest, weil es bequem ist. Was mit einem wie ihm passiert, interessiert doch keine Menschenseele! Sir Basil freut sich, und Sie können die Angelegenheit zu einem glücklichen Ende führen, ohne irgendeinem Ihrer angebeteten Behördentiere auf die Zehen getreten zu sein. Sie können Ihren Vorgesetzten den Fall als gelöst präsentieren - egal ob es stimmt, egal ob es gerecht ist -, den armen Teufel hängen lassen und die Akte als geschlossen erklären.« Er musterte Runcorn mit unsäglicher Verachtung.
    »Die Öffentlichkeit wird Sie mit Lorbeeren überschütten, die feinen Herren werden sagen, was für ein hervorragender, folgsamer Diener des Volkes Sie doch sind. Großer Gott - Percival ist vielleicht ein arroganter, egoistischer Mistkerl, aber er ist bestimmt nicht so ein feiger kleiner Speichellecker wie Sie! Ich werde ihn er st dann verhaften, wenn ich von seiner Schuld überzeugt bin.«
    Runcorns Gesicht war ein purpurrotes Schlachtfeld, seine Hände lagen zu Fäusten geballt auf dem Tisch. Er bebte von Kopf bis Fuß, und seine Muskeln waren derart angespannt, daß seine Schultern den Stoff seines dünnen Rocks zu sprengen drohten.
    »Es ist keine Bitte, Monk, es ist ein Befehl. Gehen Sie und nehmen Sie Percival fest - sofort!«
    »Nein.«
    »Nein?« In Runcorns Blick lag eine eigenartige Mischung aus Furcht, Ungläubigkeit und Frohlocken. »Heißt das, Sie verweigern den Befehl, Monk?«
    Monk schluckte. Er wußte, welche Konsequenzen seine nächsten Worte haben würden.
    »Ja, ich verweigere den Befehl. Sie sind im Unrecht.«
    »Sie sind fristlos entlassen!« Runcorns Arm schnellte durch die Luft; mit ausgestrecktem Zeigefinger wies er auf die Tür.
    »Sie gehören nicht länger zur Metropolitan Police.« Seine andere Hand schoß nach vorn. »Geben Sie mir Ihren Dienstausweis. Sie haben ab sofort keinerlei Befugnisse mehr und räumen auf der Stelle Ihr Büro, ist das klar? Sie sind draußen! Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen!«
    Monk griff mit steifen Fingern in die Tasche und zog, verärgert über sein ungeschicktes Gefummel, den Dienstausweis hervor. Er knallte ihn auf den Tisch, machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte hinaus, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
    Draußen im Flur wäre er um ein Haar gegen zwei Konstabler und einen Sergeant mit einem Berg Unterlagen geprallt, die in einem Zustand erstarrter Fassungslosigkeit und verschüchterter Erregung wie angewurzelt stehengeblieben waren. Was sie soeben miterlebten, war ein Stück Geschichte, der Fall eines Giganten. Bedauern, Genugtuung und ein gewisses Schuldbewußtsein spiegelten sich in ihren Gesichtern, weil keiner mit dieser Verwundbarkeit gerechnet hatte. Sie fühlten sich überlegen und hatten gleichzeitig Angst.
    Monk ging zu schnell an ihnen vorbei, als daß sie unbeteiligte Mienen hätten aufsetzen können, aber er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihren betretenen Blicken Beachtung zu schenken.
    Bis er unten ankam, hatte sich der Konstabler vom Wachdienst wieder in der Hand und war hinter seinen Schalter zurückgekehrt. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Monk hörte nicht zu, erleichtert, daß er es nicht mehr brauchte.
    Erst als er im Regen auf der Straße stand, wurde er sich mit eisiger Klarheit bewußt, daß er nicht nur seine Karriere, sondern auch seinen Lebensinhalt weggeworfen hatte. Noch vor einer Viertelstunde war er ein bewunderter, manchmal auch gefürchteter Polizist mit langjähriger Erfahrung gewesen, der für seine gute Arbeit und seinen enormen Scharfsinn bekannt war. Jetzt war er plötzlich ein Mensch ohne Arbeit, ohne Wert - und bald wohl auch ohne Geld. Wegen Percival.
    Nein - wegen der tiefen Abneigung, die sich über Jahre zwischen Runcorn und ihm aufgebaut hatte, wegen der Rivalität, der Angst, der Mißverständnisse.
    Am Ende gar wegen Schuld oder Unschuld?

9
    Monk schlief miserabel. Als er viel zu spät wach wurde, hatte er einen schweren Kopf. Er quälte sich aus dem Bett und war bereits halb angezogen, als ihm einfiel, daß er nirgendwo erwartet wurde. Er war nicht nur den Queen-Anne-Street-Fall los, er war nicht einmal mehr Polizist. Im Grunde war er gar nichts mehr. Sein Beruf war sein Lebensinhalt gewesen, hatte für einen festen Platz in der Gesellschaft gesorgt und - was er bald bitter am

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