Gefährliche Trauer
und frühstücke oder schreib Briefe oder tu sonst irgendwas.«
Für den Bruchteil einer Sekunde verschwanden jeglicher Glanz und alle Lebensfreude aus ihren Zügen. Sie schaute ihn mit offener Abneigung an, doch das war gleich wieder vorbei. Anstandslos unterwarf sie sich seiner Aufforderung zum Gehen und machte leise die Tür hinter sich zu.
Basil forschte in Monks Gesicht nach etwaigen Schlüssen, die er aus ihrer Vorstellung gezogen hatte, doch der machte eine völlig nichtssagende Miene.
Die letzte Person, die das Morgenzimmer betrat, stand in gleichermaßen offensichtlicher Verwandtschaft zur Familie. Der Mann hatte dieselben großen blauen Augen wie Lady Moidore, eine ähnlich geschnittene Wangen-, Stirn und Kinnpartie und, wenn sein Haar mittlerweile auch grau war, die für Menschen mit hellbraunem Haar typische rosige Gesichtsfarbe. Allerdings war er erheblich älter, zudem schien ihn das Leben nicht gerade mit Samthandschuhen angefaßt zu haben. Seine Schultern waren gebeugt, und er machte einen deutlich abgekämpften Eindruck, als hätte er viele Niederlagen einstecken müssen - kleine vielleicht, dafür nachhaltige.
»Septimus Thirsk«, stellte er sich mit einem Rest militärischer Korrektheit vor. »Was kann ich für Sie tun, Sir?« Er ignorierte sowohl seinen Schwager, in dessen Haus ihm allem Anschein nach Domizil gewährt wurde, als auch Cyprian, der sich an die Fensterbrüstung zurückgezogen hatte.
»Waren Sie am Montag, dem Tag vor Mrs. Hasletts Ermordung, zu Hause, Sir?« erkundigte sich Monk höflich.
»Außer Haus, Sir, den ganzen Vormittag und zum Lunch«, erwiderte Septimus nach wie vor fast in Habacht-Stellung. »Den Nachmittag verbrachte ich hier, zum größten Teil in meinem Quartier, das Dinner woanders.« Ein besorgter Ausdruck glitt über sein Gesicht. »Weshalb interessiert Sie das, Sir? Ich habe den Einbrecher weder gehört noch gesehen, ansonsten hätte ich Bericht erstattet.«
»Tavie wurde von jemandem ermordet, der sich bereits im Haus aufhielt, Onkel Septimus«, klärte Cyprian ihn auf. »Wir dachten, sie hat dir gegenüber vielleicht etwas erwähnt, das auf das Motiv schließen läßt. Wir fragen jeden.«
»Etwas erwähnt?« Septimus blinzelte.
Basils Gesicht verfinsterte sich. »Großer Gott, die Frage ist wirklich nicht schwer zu verstehen!« rief er aufgebracht. »Ob Octavia irgend etwas gesagt oder getan hat, das darauf hindeutete, daß sie über ein genügend schmutziges Geheimnis gestolpert ist, um deswegen umgebracht zu werden! Es ist sowieso ziemlich unwahrscheinlich, aber die Frage muß nun mal gestellt werden!«
»Ja, das hat sie!« sagte Septimus prompt; auf seinen Wangen prangten zwei hektische rote Flecken. »Als sie am späten Nachmittag nach Hause kam, meinte sie, eine ganz neue Welt hätte sich vor ihr aufgetan, eine überaus gräßliche. Sie müßte nur noch ein Detail herausfinden, um es endgültig beweisen zu können. Ich habe sie gefragt, worum es dabei geht, aber das wollte sie mir nicht sagen.«
Basil hatte es die Sprache verschlagen, Cyprian stand da wie vom Donner gerührt.
»Wo war sie gewesen, Mr. Thirsk?« fragte Monk ruhig. »Sie sagten, als sie nach Hause kam.«
»Keine Ahnung«, gab Septimus zurück, während die Wut in seinen Augen von Kummer verdrängt wurde. »Sie meinte nur, daß ich es eines Tages begreifen würde - besser als jeder andere. Mit mehr wollte sie nicht herausrücken.«
»Fragen Sie den Kutscher«, schlug Cyprian vor. »Er wird es wissen.«
»Sie war nicht mit einer von unseren Kutschen weg.« Septimus schoß einen hinterlistigen Blick auf Basil ab und fügte spitz hinzu: »Das heißt, von deinen. Sie kam zu Fuß. Ich nehme an, sie ist entweder gelaufen oder hat einen Hansom angehalten.«
Cyprian fluchte gedämpft. Obwohl Basil einen hochgradig verstörten Eindruck machte, entspannten sich seine Schultern unter dem schwarzen Stoff seines Jacketts, während er über ihre Köpfe hinweg aus dem Fenster starrte.
»Es scheint, Inspektor, das arme Mädchen hat an jenem Tag tatsächlich etwas in Erfahrung gebracht«, sagte er mit dem Rücken zu Monk. »Ihre Aufgabe ist jetzt herauszufinden, worum es dabei ging - falls Ihnen das nicht gelingt, müssen Sie dem Mörder anhand von Schlußfolgerungen auf die Schliche kommen. Das Warum bekommen wir möglicherweise nie heraus, aber das spielt wohl auch keine Rolle mehr.« Er verstummte und schien völlig in seine eigenen Gedanken zu versinken. Niemand störte ihn dabei.
»Falls
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