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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wäre; ihr Schritt war schwer, die Schultern leicht gebeugt. Auch ihr Gesicht steckte hinter einem undurchdringlichen Schleier. Etwa einen Meter rechts von ihr machte Myles Kellard einen trübsinnigen, vielleicht auch bloß gelangweilten Eindruck. Langsam, fast geistesabwesend stieg er die Stufen hinauf und streckte erst ganz oben eine Hand in Richtung ihres Ellbogens aus, was mehr an eine Höflichkeitsgeste als an wirkliche Hilfsbereitschaft erinnerte.
    Das Schlußlicht bildeten Fenella Sandeman und Septimus Thirsk. Sie erschien in einem wahrhaft dramatischen Trauergewand und trug dazu einen für den Anlaß viel zu reich dekorierten, fraglos hübschen Hut. Ihre Taille war mit aller Gewalt zusammengeschnürt worden, so daß sie aus einigen Metern Entfernung wie ein junges Mädchen wirkte, doch beim Näherkommen entdeckte man das unechte Schwarz ihrer Haare und die welk werdende Haut. Monk konnte sich nicht recht entscheiden, ob er sie wegen der Art und Weise, wie sie sich lächerlich machte, bemitleiden oder ihren Mut zu provokantem Benehmen bewundern sollte.
    Thirsk hielt sich dicht hinter ihr und flüsterte ihr von Zeit zu Zeit etwas in Ohr. Das harte, graue Tageslicht ließ die Abgekämpftheit auf seinen Zügen, das Gefühl, vom Leben besiegt worden zu sein, kraß hervortreten.
    Anstatt gleich in die Kirche zu gehen, wartete Monk, bis der Geistliche, die wirklich Trauernden sowie alle Neider und Gaffer im Innern des Gebäudes verschwunden waren. Er schnappte eine Menge Gesprächsfetzen auf. Bei manchen handelte es sich um Mitleidsbekundungen, bei dem Großteil jedoch um wütende Empörung. Was sollte bloß aus der Welt werden, wenn das so weiterging? Wo steckte diese vielgepriesene, neumodische Metropolitan Police, während es überall Mord und Totschlag gab? Wozu für ihre Existenz blechen, wenn Leute wie die Moidores in ihrem eigenen Bett abgeschlachtet werden konnten? Zum Innenministerium sollte man gehen und verlangen, daß endlich etwas geschah!
    Monk konnte sich die Aufregung, die Angst und die Ausflüchte der nächsten Wochen lebhaft vorstellen. Whitehall würde in einer Flut entrüsteter Beschwerdebriefe ersticken und mit mühsamen Rechtfertigungen und höflichen Zurückweisungen darauf reagieren. Dann, wenn Ihre Lordschaften gegangen waren, würde man Runcorn herbeizitieren, um mit eisiger Mißbilligung, hinter der sich helle Panik verbarg, Resultate von ihm zu fordern.![ Und Runcorn würde sich vor Demütigung und Sorge gar nicht mehr zu helfen wissen. Er haßte es zu versagen; aber er hatte keine Ahnung, wie er seinen Mann stehen sollte. Natürlich würde er seine eigenen Ängste umgehend als offizielle Rüge getarnt an Monk weitergeben.
    Basil Moidore würde das erste und das letzte Glied der Kette sein, wenn Monk in sein Haus zurückkehrte, um seine Familie aus ihrer Geruhsamkeit und vorgegaukelten Sicherheit aufzuscheuchen und den einzelnen Mitgliedern sämtliche Mutmaßungen über einander sowie die tote Frau zu entreißen, die sie soeben auf erlesene Weise zu Grabe trugen.
    Ein Zeitungsjunge schlenderte vorbei, als Monk gerade hineingehen wollte.
    »Grausiger Mord im Westend!« brüllte er ohne Rücksicht darauf, daß er direkt vor einem Gotteshaus stand. »Polizei ratlos! Lesen Sie, Herrschaften, lesen Sie!«
    Drinnen ging es ausgesprochen feierlich zu. Klangvoll psalmodierende Stimmen, düster auf und abschwellende Orgelmusik, in Edelsteinfarben leuchtende Buntglasfenster inmitten grauer Mauermassen, Kerzenschein auf unzähligen schwarzen Kleidungsstücken, hin und wieder ein leises Scharren von Füßen oder das Rascheln von Stoff. Jemand nieste. Hallende Schritte, als die Zeremonienmeister durchs Seitenschiff gingen. Das Quietschen von Stiefeln.
    Monk wartete in der letzten Bank und schloß sich der Prozession dann so dicht an, wie es sich gerade noch schickte, als der Sarg schließlich zur Familiengruft getragen wurde.
    Während der eigentlichen Bestattung stand er hinter den Moidores, neben sich einen hünenhaften Mann mit fast vollständiger Glatze, dessen wenige übriggebliebene Haarsträhnen munter im schneidenden Novemberwind wehten.
    Beatrice Moidore befand sich direkt vor ihm, jetzt an der Seite ihres Ehemanns.
    »Hast du diesen Polizisten vorhin in der Kirche gesehen?« fragte sie ihn kaum hörbar. »Er stand hinten neben den Lewis.«
    »Natürlich«, gab er zurück. »Gott sei Dank benimmt er sich unauffällig und sieht wie ein normaler Trauergast aus.«
    »Sein Anzug hat einen

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