Gefährliche Trauer
schnoddrigerem Ton als klug war, aber er wußte sehr gut, daß der Fall in Zukunft noch wesentlich häßlicher und schwieriger werden würde. Welches Pech für Runcorn! Er hatte entsetzliche Angst davor, Autoritätspersonen oder anderen Leuten auf den Schlips zu treten, die er für gesellschaftlich wichtig hielt, und das Innenministerium würde auf eine rasche Lösung des Falls drängen, weil die Öffentlichkeit außer sich war. Es mußte ihm schlaflose Nächte bereiten, einem Basil Moidore womöglich auf die Nerven zu fallen. Monk steckte wie üblich mittendrin, und Runcorn wäre nur zu entzückt, wenn er endlich die Gelegenheit bekommen würde, Monks Scheitern an die große Glocke zu hängen und ihm seinen Snobismus ein für allemal auszutreiben.
Monk war das alles kein Geheimnis mehr, und es machte ihn wütend, daß er möglichen Schaden nicht verhindern konnte, obwohl er vorgewarnt war.
»Mir steht jetzt nicht der Sinn nach Rätselraten«, fuhr Runcorn ihn an. »Wenn Sie nicht weitergekommen sind und der Fall zu schwierig für Sie ist, sagen Sie's gleich, dann kann ich ihn jemand anderem übertragen.«
Monk bleckte lächelnd die Zähne. »Eine hervorragende Idee - Sir. Danke vielmals.«
»Werden Sie bloß nicht frech!« Runcorn war fassungslos. Diese Antwort hatte er am allerwenigsten erwartet. »Falls das heißen soll, Sie resignieren, sagen Sie es gefälligst, wie sich's gehört, Mann, und nicht mit so einer flapsigen Bemerkung. Werfen Sie das Handtuch?« Für einen Moment glomm Hoffnung in seinen runden Äuglein auf.
»Wo denken Sie hin, Sir.« Monk hatte Mühe, weiterhin unbeschwert zu klingen. Leider war ihm nur ein einzelner Stoß geglückt - die Schlacht war verloren. »Ich dachte, Sie bieten mir an, mich bei der Untersuchung des Mordfalls Moidore ersetzen zu lassen.«
»O nein, warum sollte ich?« Runcorns kurze, gerade Brauen hoben sich. »Sagen Sie bloß, Sie sind dem nicht gewachsen? Sie waren doch immer der beste Mann im Stall - das haben Sie wenigstens allen weisgemacht!« Seine Stimme triefte vor Genugtuung. »Ihr Scharfsinn hat durch den Unfall jedenfalls gelitten, soviel steht fest. Den Fall Grey haben Sie ja noch ganz gut hingekriegt, aber es hat viel zu lange gedauert. Ich nehme an, man wird Grey hängen.« Die Genugtuung verstärkte sich. Er selbst war scharfsinnig genug, Monks Sympathie für Menard Grey kapiert zu haben.
»Nein, man wird nicht«, versetzte Monk. »Heute nachmittag wurde das Urteil verlesen: Deportation für fünfundzwanzig Jahre.« Er lächelte mit kaum verhohlenem Triumph. »Er kann sich in Australien durchaus ein anständiges neues Leben aufbauen.«
»Wenn er nicht am Fieber krepiert«, sagte Runcorn gehässig, »oder in einem Aufstand umkommt oder verhungert.«
»Das kann in London auch passieren.« Monk machte ein bewußt ausdrucksloses Gesicht.
»Los, los, was stehen Sie hier so rum!« Runcorn ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. »Warum haben Sie solche Angst vor dem Fall Moidore? Glauben Sie, er übersteigt Ihre Fähigkeiten?«
»Der Täter befand sich im Haus«, gab Monk zurück.
»Klar befand sich der Täter im Haus.« Runcorn funkelte ihn wütend an. »Was ist los mit Ihnen, Monk? Wo bleibt denn Ihr berühmter Grips? Sie wurde in ihrem Schlafzimmer umgebracht jemand ist eingebrochen. Kein Mensch behauptet, daß man sie auf die Straße gezerrt hat.«
Monk zog ein boshaftes Vergnügen daraus, ihn eines Besseren zu belehren.
»Man behauptet, daß es ein Einbrecher war.« Er sprach jedes Wort langsam und überdeutlich aus, als hätte er jemanden vor sich, der etwas schwer von Begriff war. Schließlich beugte er sich vor. »Ich sage, daß niemand eingebrochen ist, daß er oder sie - wer immer Sir Basils Tochter ermordet hat - sich bereits im Haus befand und es immer noch tut. Läßt man gesellschaftliches Zartgefühl walten, denkt man an einen der Dienstboten; benutzt man seinen gesunden Menschenverstand, kommt ein Mitglied der Familie viel eher in Frage.«
Runcorn starrte ihn entgeistert an. Als ihm die volle Bedeutung von Monks Offenbarung allmählich dämmerte, wich alles Blut aus seinem langen Gesicht. Monk indes war seine Befriedigung deutlich anzusehen.
»Was für ein absurder Einfall!« krächzte Runcorn kaum hörbar, weil seine Zunge den Worten den Weg versperrte, indem sie sich in seinen Gaumen bohrte. »Das darf doch nicht wahr sein, Monk! Leiden Sie vielleicht an heimlichem Haß auf den Adel, daß Sie schon wieder eine solch
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