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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nicht aus ihren Gedanken verbannen …«
    »Daß Myles Kellard Octavia ermordet hat?« Monk trat einen Schritt vor. »Hester, seien Sie vorsichtig!« Er legte ihr derart heftig eine Hand auf den Arm, daß der Druck seiner Finger beinah weh tat. »Halten Sie Augen und Ohren offen, wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, aber stellen Sie keine Fragen! Haben Sie gehört?«
    Sie wich vor ihm zurück, wobei sie die malträtierte Stelle sorgfältig massierte. »Natürlich habe ich Sie gehört! Sie haben mich um meine Hilfe gebeten, und die kriegen Sie jetzt. Ich habe nicht vor, Fragen zu stellen - man würde mir ohnehin keine Antwort geben, sondern mich wegen Neugier und Aufdringlichkeit vor die Tür setzen. Ich bin hier nicht mehr als ein Dienstbote.«
    »Richtig, und wie steht's mit dem restlichen Personal?« Er rührte sich nicht vom Fleck, blieb dicht vor ihr stehen. »Hüten Sie sich vor den männlichen Hausangestellten, Hester, insbesondere vor den Lakaien. Es ist gut möglich, daß einer von ihnen Octavia betreffend erotische Wunschträume hegte. Er interpretierte ihr Verhalten falsch« - ein Achselzucken - »oder auch richtig, sie wurde der Affäre überdrüssig und…«
    »Großer Gott! Sie sind keinen Deut besser als Myles Kellard!
    Der ließ auch durchblicken, Octavia wäre eine Schlampe gewesen.«
    »Es ist nur eine Möglichkeit!« zischte er scharf. »Schreien Sie nicht so. Hinter der Tür könnten Lauscher stehen, das wissen Sie. Kann man Ihre Schlafzimmertür abschließen?«
    »Nein.«
    »Dann schieben Sie einen Stuhl unter die Klinke.«
    »Ich glaube kaum…« Doch dann fiel ihr ein, daß Octavia Haslett mitten in der Nacht in ihrem Bett erstochen worden war. Sie merkte, wie sie gegen ihren Willen zu zittern begann.
    »Der Mörder lebt in diesem Haus!« wiederholte Monk und sah sie eindringlich an.
    »Ja«, lenkte Hester ein. »Ich weiß. Wir alle wissen es - das ist ja das Schlimme.«

6
    Das Gespräch mit Monk hatte Hester nachdenklich gestimmt. Ihr war plötzlich in Erinnerung gerufen worden, daß es sich um keinen gewöhnlichen Haushalt handelte, daß die Meinungsverschiedenheiten, die Streitigkeiten, die scheinbar banalen Gehässigkeiten zumindest in einem Fall tief genug gegangen waren, um sich in einem brutalen, heimtückischen Mord zu entladen. Einer dieser Menschen, die ihr über den Eßtisch entgegenblickten, war mit einem Messer über Octavia hergefallen und hatte sie verblutend ihrem Schicksal überlassen.
    Ihr war etwas flau im Magen, als sie zu Beatrices Zimmer zurückkehrte und an die Tür klopfte. Beatrice stand am Fenster und starrte auf das hinunter, was der Herbst von dem einst blühenden Garten übriggelassen hatte. Der Gärtnergehilfe rechte abgefallenes Laub zusammen und zupfte ein paar letzte Unkrautpflänzchen aus einem Bett Herbstastern; der blonde Arthur half ihm mit dem feierlichen Ernst eines Zehnjährigen. Als sie Hester hereinkommen hörte, drehte Beatrice sich um. Ihr Gesicht war blaß, der Blick beunruhigt.
    »Sie sehen bedrückt aus«, stellte sie fest und ging zu einem der Ankleidestühle, ohne sich jedoch hinzusetzen, als wäre der Stuhl eine Art Gefängnis, das ihr die Möglichkeit nehmen würde, sich spontan zu bewegen. »Warum wollte die Polizei mit Ihnen sprechen? Sie waren doch gar nicht hier… als Tavie ermordet wurde.«
    »Das ist richtig, Lady Moidore.« Hesters Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einer Erklärung, die glaubwürdig klang und Beatrice gleichzeitig bewegen würde, etwas von ihrer Furcht preiszugeben. »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, Mr. Monk hoffte, daß mir seit meiner Ankunft hier irgend etwas aufgefallen ist. Da ich keine Angst zu haben brauche, selbst verdächtigt zu werden, besteht keine Veranlassung für mich, ihn zu belügen.«
    »Wer lügt denn Ihrer Ansicht nach?«
    Hester zauderte kaum merklich, trat dann ans Bett, um die Laken glattzustreichen, die Kissen aufzuschütteln und einen beschäftigten Eindruck zu erwecken. »Keine Ahnung, aber irgend jemand tut es.«
    »Sie meinen, jemand deckt den Mörder? Wozu? Welchen Grund sollte er dafür haben?«
    Hester versuchte, ihre Worte abzuschwächen. »Ich meine nur, daß der Betreffende lügt, um sich selbst zu schützen. Schließlich ist es jemand aus dem Haus.« Dann wurde ihr bewußt, was für eine ausgezeichnete Gelegenheit sie im Begriff war, aufs Spiel zu setzen. »Aber Sie haben recht, es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß sonst niemand eine Ahnung hat, wer der

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