Gefaehrliche Versuchung
mit der Kraft, die er daraus zog, all dem Bösen und der Gewalt in der Welt entgegentreten zu können.
Es war sein letzter Moment der Unschuld gewesen – der Sommer, als er noch geglaubt hatte, dass die Welt ihm gehörte und Kate ihn liebte. Als er noch die Hoffnung gehabt hatte, dass sie sich entschließen würde, ihr Schicksal mit ihm zu teilen.
Ehe er wusste, wie ihm geschah, fühlte er sich in diese Zeit zurückversetzt, und das kostete ihn seine Selbstbeherrschung. Plötzlich drängte er sie, sich für ihn zu öffnen. Er streichelte sie und tat sein Bestes, um einen Feuersturm zu entfachen. Und sie reagierte. Ihre Lippen wurden weich, und ihr Körper bewegte sich. Zuerst kam ihre Erwiderung zögerlich, als hätte sie die sinnlichen Duelle vergessen, die sie einst miteinander ausgetragen hatten.
Dennoch durchströmte ihn Erleichterung, Dankbarkeit. Es ging ihr gut. Er ließ ihre Hände los und umschloss ihr Gesicht. Sein Körper schmiegte sich wie von allein an ihren. Er spürte ihr Herz an seinem, und es pochte so schnell wie das eines Kolibris. Er drohte, sich zu verlieren, und er wusste es.
Und in dem Moment biss sie ihn.
Wutentbrannt wich er zurück. »Aua! Was, zur Hölle, tust du?«
Er hob die Hand, um seine Unterlippe zu berühren. Blut klebte an seinen Fingern.
Nun ja, zumindest hatte er eines erreicht: Sie war auf jeden Fall wieder munter. Ihre Augen blickten kalt wie der Tod. Das Grün verschwand um die riesigen Pupillen herum beinahe. »Das fragst du noch?«
»Dir hat es genauso gut gefallen wie mir! Etwas anderes kannst du mir nicht erzählen.«
»Ich werde dir nur eines erzählen: Runter von mir.«
Er konnte nicht. Noch nicht. Er konnte sich nicht von der Wärme ihres Körpers lösen. Er konnte die Erinnerungen nicht einfach wieder verschließen, als hätte es sie nie gegeben. Es gab sie. Es waren allerdings Lügen.
Er wollte auf jene Sommertage als die letzten Tage der Unschuld zurückblicken. Doch an Kate war nichts unschuldig gewesen. Nichts rein oder echt. Und er hatte den Preis dafür gezahlt, dass er geglaubt hatte, es wäre anders.
Sie wand sich und versuchte, ihn von sich wegzuschieben. »Geh runter!«
»Warum?«, erwiderte er und war mit einem Mal wütend. »Du hast mit jedem anderen Mann in Europa geschlafen. Warum nicht mit mir?«
Er hörte, wie er die Worte aussprach, und wusste, dass sie hässlich und brutal waren. Er bemerkte ihre Wirkung auf Kates sowieso schon aschfahle Gesichtsfarbe, und es beschämte ihn. Er tat es schon wieder – er verletzte sie. Er verletzte sie die ganze Zeit, und das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Nie hatte er seinem Zorn nachgegeben. Nicht einmal in all den langen Jahren als Soldat, als der Blutrausch der Schlacht viel zu oft auf die Täter und die Unschuldigen übergeschwappt war. Er hatte die Grausamkeiten miterlebt, die Männer anderen Männern, Frauen und Kindern angetan hatten, und er hatte sich selbst hinter eine Mauer der Disziplin zurückgezogen. Aber nun kam die Wut tief aus seinem Inneren, und er schien sie nicht zügeln zu können.
»Du schuldest es mir«, knurrte er und packte wieder ihre Hände.
Sie brachte ein raues Lachen zustande. »Das Einzige, was ich dir schulde, ist ein kräftiger Stich mit der Hutnadel direkt ins Auge.«
Er schien nicht richtig atmen zu können. Er war noch immer erregt von dem Gefühl, ihren zarten Körper unter sich zu spüren. Er konnte fühlen, dass ihre Brustspitzen sich aufgerichtet hatten. Er konnte hören, wie schnell ihr Atem ging. Und er wusste, wie schnell ihr Herz hämmerte. Sie war genauso erregt wie er. Sie hatte reagiert. Und sie demütigte ihn wegen seiner Reaktion.
Plötzlich nahm er ihr alles übel. Ihretwegen hatte er ein Jahrzehnt damit verbracht, von einem Schlachtfeld zum anderen zu waten. Er hatte Gräueltaten miterlebt, die kein sterblicher Mensch je sehen sollte, war so schlimm verwundet worden, dass er beinahe gestorben wäre, und er trug den Preis der letzten Schlacht noch immer in seiner Brust. Und sie? Sie thronte auf dem Misthaufen der feinen Gesellschaft – eine reiche Schlampe mit einem Titel, der sie beschützte. Der Drang, ihr wehzutun, ließ ihn erzittern. Er wollte, dass sie jedes Versprechen, das sie ihm gegeben und dann gebrochen hatte, bedauerte. Jede Verletzung, die sie verursacht hatte.
»Ich hoffe, du willst mir nicht erzählen, dass ich dich kaltlasse«, warf er ihr vor und war ihr so nahe, dass er sehen konnte, wie ihre Pupillen sich noch ein bisschen
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