Gefaehrliche Versuchung
ist.«
Finney straffte die Schultern. »Ich werde mich persönlich darum kümmern.« Kate hatte den erschütternden Eindruck, dass Tränen in seinen Augen schimmerten.
»Mir geht es gut, Finney. Auch wenn ich an den ungewöhnlichsten Stellen blaue Flecke davontragen werde.«
Die restliche Dienerschaft kam in die Eingangshalle gestürzt, als Finney vorsichtig die Treppe hinaufging. Kate war beschämt. Wahrscheinlich dachten die armen Leute, dass sich ihre Lohnzahlungen gerade in Luft aufgelöst hatten. Harry tastete derweil Kates Arme und Beine ab, um zu prüfen, ob etwas gebrochen war. Eigentlich hätte sie es mehr verabscheuen sollen – vor allem, als er eine wunde Stelle berührte. Doch die Panik, die sie in seinem Blick sah, tröstete sie irgendwie.
»Mir geht es wirklich gut«, beschwichtigte sie ihn, nachdem sie sich selbst noch einmal vergewissert hatte. »Ich werde Blutergüsse bekommen – allerdings nur an Stellen, die niemand zu Gesicht bekommt. Ich scheine höllisches Glück gehabt zu haben. Zumindest sagt Edwin mir das immer.«
Harry wirkte nicht sonderlich beruhigt. »Wie konntest du etwas so Dummes tun?«
»Ich habe nichts getan.« Sie erinnerte sich, und ihr stockte der Atem. Instinktiv sah sie nach oben und an Finney vorbei, der die zweitoberste Stufe in Augenschein nahm. Aber wie nicht anders zu erwarten, war der Flur leer. »Harry, da oben war jemand, als ich gefallen bin. Ich habe einen Schatten gesehen.«
Harry wollte ihr gerade widersprechen, als Finney sich umdrehte und ihn mit aufgerissenen Augen anblickte. »Hier oben ist eine große Lache Schmierfett. Sieht aus, als hätte jemand eine Bratpfanne ausgekippt.«
Wie vorherzusehen war, fühlte Maurice sich gekränkt. »Kein Fett verlässt Maurice’ Küche!«, protestierte er und fuchtelte mit einem seiner großen Messer herum. »Das erlaubt er nicht!«
Doch Kate sah Harry an, der zu demselben Schluss gekommen zu sein schien wie sie. Jemand im Haus hatte dafür gesorgt, dass jemand anders die Treppe hinunterstürzte. Möglicherweise sogar jemand, dem sie oder Harry vertraute.
»Komm«, sagte Harry entschieden, als er sie hochhob, »du musst ins Bett und dich vom Arzt untersuchen lassen, während wir dafür sorgen, dass die Stufe gereinigt wird.«
»Ich kann allein laufen«, sagte sie, obwohl sie sich dabei ertappte, wie sie einen schmerzenden Arm um Harrys Hals legte. »Ich möchte den Bediensteten nicht unnötig Angst einjagen.«
»Zu spät«, hörte sie und warf einen Blick zu dem bleichen Thrasher, der sie mit großen Augen ansah.
Es brach ihr fast das Herz. »Ruf den Bestatter noch nicht, Thrasher. Er wird nicht gebraucht.« Sie warf ihm ein freches Lächeln zu. »Im Übrigen würde er viel zu viel verlangen.«
Sie war nicht davon überzeugt, dass der Junge sich nun besser fühlte. Nach dem Leben, das er geführt hatte, war sie sich nicht einmal sicher, ob ihr das überhaupt je gelingen könnte. Sie musste sich zurückziehen, ehe sie alle verschreckte. Das »Schreckzittern«, wie sie es nannte, setzte allmählich ein. Schließlich fügte sie sich dem Unvermeidbaren und ließ den Kopf an Harrys Schulter sinken. »Pass auf die zweitoberste Stufe auf.«
»Er ist ins Haus eingedrungen!«, brüllte Harry und beugte sich über Drakes Schreibtisch. »Ins Haus!«
»Bist du dir sicher?«, fragte Drake. »Es war nicht nur ein Unfall?«
Harry ließ die Faust auf den Tisch krachen. »Ich bin mir sicher. Kate wäre beinahe ums Leben gekommen, weil ein Mörder an all deinen Männern vorbeigekommen und in mein verdammtes Haus spaziert ist! Das wäre ja nicht so schlimm, wenn ich dir nicht gerade erst von dem Mann erzählt hätte, den Grace gesehen hat.«
»Das hast du«, stimmte Ian Ferguson ihm zu, der es sich in einem der Sessel bequem gemacht hatte. »Ich habe selbst gehört, wie du es erzählt hast.«
»Ich auch«, meldete Chuffy sich von seinem Platz am Fenster aus zu Wort, wo er die vorbeikommenden Zweispänner zählte. »Habe gehört, dass du dich darum kümmern wolltest, Marcus. Hast du nicht. Fünf.«
Drake warf ihm ein schiefes Lächeln zu. »Meine Männer haben den Butler in Verdacht.«
Ian lachte dröhnend. »Finney? Ach Mann, ich möchte unbedingt dabei sein, wenn du ihm das sagst.«
»Tja, du wirst nicht dabei sein«, entgegnete Drake freundlich. »Du brichst morgen früh nämlich nach Frankreich auf.«
Ian seufzte tief. Harry wandte sich zu ihm um. »Frankreich?«
Ian bleckte die Zähne. »Sie haben beschlossen, dass
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