Gefaehrliche Versuchung
es keinen anderen Ausweg gibt, als dass ich den großen Mann persönlich beschütze.«
Chuffy verschluckte sich fast. »Einen noch größeren Mann als dich?«
Ian funkelte ihn an. »Wellington, du dummer Junge.«
Harry runzelte die Stirn. »Wer hilft mir dann, meine Katie zu beschützen?«
» Deine Katie?«, wiederholte Drake trocken.
Nun funkelte Harry ihn an. »Du hast dafür gesorgt, dass wir heiraten. Du solltest erleichtert sein, dass ich versuche, mich daran zu gewöhnen.«
Harry war nicht bereit, über die neuen Gefühle zu reden, die Kate in der letzten Nacht in ihm ausgelöst hatte. Ihr Schluchzen hatte eine Wunde in ihm aufgerissen, die schon lange vernarbt gewesen war, und er konnte spüren, wie sie blutete. Das machte diese neueste Drohung gegen sie noch unerträglicher für ihn.
»Ich bin nur erleichtert, dass ihr euch noch nicht gegenseitig umgebracht habt«, gab Drake zu. »Da du hier bist und mir ins Ohr brüllst, nehme ich an, dass die Dame den Sturz einigermaßen unbeschadet überstanden hat?«
Mit gespreizten Fingern fuhr Harry sich durchs Haar. »Woher soll ich das wissen? Bei der Frau weiß man nie.« Wenn er Lady Bea richtig verstanden hatte, war Kate solche Misshandlungen und Verletzungen wie den Sturz vom Morgen gewohnt. Als er das gehört hatte, hatte er sich nur noch schlimmer gefühlt. Das musste jedoch niemand wissen.
»Ich werde helfen«, bot Chuffy an. »Ich mag Kate. Sechs … oh, Moment, das ist ein Tilbury.«
»Wir werden alle helfen«, sagte Drake und zog eine dicke Akte hervor. »Genau genommen habe ich schon angefangen. Hier sind Berichte über jeden von Kates Angestellten.«
»Wette, das ist interessanter Lesestoff«, bemerkte Chuffy.
Drake blickte ihn finster an. »Wie ein Roman von Fielding. Der Grund, warum wir uns den Butler näher angesehen haben, ist, dass er direkt aus Newgate in Kates Dienste getreten ist. Er ist wegen Mordes verurteilt worden.«
»Da er noch immer herumläuft, ist das Urteil anscheinend nicht vollstreckt worden«, sagte Ian.
»Außerdem hat er als Wahrsager gearbeitet, war ›halb Mensch, halb Affe‹ in Tim’s Tiny Circus … «
Chuffy lachte. »Ach, daher kenne ich ihn. Ziemlich überzeugend.«
Wieder verfinsterte sich Drakes Blick. »Und er hat als Boxer Geld verdient. Willst du hören, was wir über ihren Chefkoch herausgefunden haben?«
Harry schnappte sich die Akte. »Nein. Vergiss nicht, dass ich Schulter an Schulter mit diesen Männern kämpfte, und sie waren ganz sicher nicht schlechter als die Soldaten, mit denen ich zehn Jahre lang zusammen Schlachten geschlagen habe. Kates Bedienstete sind unschuldig. Finde heraus, wer es war. Ich nehme an, ihr hattet genauso wenig Glück dabei, Billy, den Axtmann, zu finden, wie ich.«
Drake schüttelte den Kopf. »Euer Thrasher hat die beste Spürnase in den Dials, und er hat nichts in Erfahrung bringen können. Wir werden die Bewachung eures Hauses verstärken, bis wir Glück haben.«
In den folgenden fünfzehn Minuten tauschten die vier Männer Ideen aus, wie Kate am besten zu schützen war. Irgendwann spürte Harry, wie seine Angst um sie ein wenig nachließ.
Drake bemerkte anscheinend seine wachsende Ungeduld, denn er legte schließlich seinen Stift zur Seite und erhob sich. »Ich bin mir sicher, dass Harry uns für unsere Gewissenhaftigkeit dankbar ist, doch ich glaube, dass er für den Augenblick zurück nach Hause möchte, um die Zeit mit seiner Ehefrau zu genießen.«
Das musste er Harry nicht zweimal sagen.
Kate hasste es, im Bett zu liegen. Sie hasste es, zur Tatenlosigkeit verdammt zu sein. Sie hasste es, Schmerzen ertragen zu müssen. Am meisten jedoch hasste sie es, darüber nachzudenken und sich nach dem Grund zu fragen, warum man ihr auf diese Weise die Treppe hinuntergeholfen hatte. Für irgendjemanden stellte sie eine Gefahr dar, und man hatte versucht, sie aufzuhalten.
Ihr tat alles ein bisschen weh, und der Schock, der ihr Übelkeit verursachte, quälte sie. Aber das waren alte Bekannte. Durch Murthers Hand hatte sie, wenn er beim Kartenspielen verloren hatte und dann nach Hause gekommen war, deutlich Schlimmeres erlebt. Doch wegen der Verletzungen war sie nie im Bett geblieben. Sie hatte sich geweigert. Nie hätte sie zugegeben, dass Murther sie so verletzt hatte.
Dieses Mal war es etwas anderes. Ihre Verletzungen waren eigentlich nicht schlimm, doch ihr Gefühlsleben war viel stärker in Mitleidenschaft gezogen worden. Plötzlich war sie Opfer eines
Weitere Kostenlose Bücher