Gefaehrliche Versuchung
würde, wusste er, dass er damit zufrieden sein müsste.
Ehe er bereit war, sie gehen zu lassen, löste Kate sich aus seiner Umarmung und wandte sich ab. »Ich muss dich um Entschuldigung bitten«, sagte sie mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, während sie verstohlen mit zitternden Händen ihr Gesicht abwischte. »Ich weine normalerweise nicht so leicht.«
Harry konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er ihr gerötetes, tränenüberströmtes Gesicht betrachtete. » Est quaedam flere voluptas. «
Unvermittelt musste sie lachen. »Jetzt etwas von Ovid? Tja, er irrt sich. Das Weinen bietet keine gewisse Lust. Nur Kopfschmerzen, geschwollene Augen und ein unschönes Verlangen nach einem Taschentuch. Ich schwöre, dass ich mich mindestens eine Woche lang mit Gurkenscheiben auf den Augen hinlegen muss.«
»Das geht nicht«, erwiderte er und schob sanft eine feuchte Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Du bist verpflichtet, dich der Öffentlichkeit zu präsentieren, um sie davon zu überzeugen, dass wir unzertrennlich sind.«
Kurz zuvor noch hätte Harry sich über den Schmollmund, den sie zog, geärgert. »Heute nicht, denke ich«, sagte sie und strich sich mit noch immer zitternden Händen über das Kleid. »Nach allem, was passiert ist, habe ich es mir sicherlich verdient, einen Tag lang hysterisch zu sein.«
Harry lächelte und war erleichtert, ihre spitze Zunge wieder zu hören. »Da stimme ich dir von Herzen zu. Soll ich ein paar Schauerromane besorgen, die du lesen kannst?«
Sie erschauderte. »Abscheulich. Es geht nur um Geister, Mönche und in Ohnmacht fallende Frauen. Ich sollte meine eigenen Romane schreiben. Die Heldin würde nicht auf einen Helden warten, der sie errettet. Helden sind so unzuverlässig.« Sie hielt inne und schloss die Augen. »Tut mir leid, Harry. Eine Gewohnheit, die sich nur schwer ablegen lässt.«
Er ergriff ihre Hand und küsste sie. »Helden sind tatsächlich unzuverlässig, Kate, zumindest waren sie das. Doch du hast dich mehr als hervorragend um Bea und dich selbst gekümmert.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das würdest du nicht sagen, wenn du mich vor fünf Jahren gesehen hättest.«
»Du hast es überlebt«, beharrte er. »Du hast zuletzt gelacht.«
Sie hob den Kopf, und ihr überraschtes Lächeln wirkte ein bisschen selbstzufrieden. »Das stimmt vermutlich. Murther ist tot, und ich bin noch immer die Duchess und die Tochter eines Dukes. Das ist mehr als genug. Immerhin bedeutet das, dass ich den Vorrang vor meiner Schwägerin Glynis habe. Und das macht sie wütend. Jedes Mal, wenn ich vor ihr her zu einer Dinnertafel gehe, kann ich beinahe hören, wie die kleinen Äderchen in ihrem Kopf platzen.«
Sie klang ruhiger, doch sie bebte noch immer wie eine Stimmgabel. Harry konnte es spüren, ohne dass er sie berührte. Er konnte sie nicht so gehen lassen. Behutsam nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände. Instinktiv versteifte sie sich und versuchte zurückzuweichen.
»Schsch«, flüsterte er. »Ich werde dich nur küssen. Ich verspreche dir, dass ich dir von jetzt an immer sage, was ich tun werde, ehe ich es mache.«
Ihre Augen wirkten riesig. »Und wenn ich nicht möchte, dass du es tust?«
Ihre Pupillen hatten sich geweitet, ihr Atem ging schneller. Harry lächelte. »Dann wirst du es mir sagen, und wir werden darüber reden. Ich werde dich niemals zu irgendetwas zwingen, das du nicht willst oder das dir Angst macht, Kate. Aber wenn wir zeigen wollen, wie großartig diese Ehe ist, müssen wir zumindest so aussehen, als würden wir uns miteinander wohlfühlen. Je mehr ich dich berühren kann, desto besser wird uns das gelingen. Wenn du zulässt, dass ich dich dann und wann küsse, wirst du dich daran gewöhnen.«
Sie stieß ein leises Schnauben aus. »Ich bin vom Erfolg der Sache nicht so überzeugt wie du.«
Er lächelte und wischte mit dem Daumen ihre Tränen weg. »Das musst du auch nicht. Du musst nur deine Augen schließen.«
Ihr Zittern wurde stärker. Einen Moment lang zeigte sich das Entsetzen, das wie ein Schatten auf ihren Erinnerungen lag. Doch dann holte sie tapfer, wie sie war, tief Luft, schloss die Augen und wandte ihm ihr Gesicht zu.
Harry kam sich bei diesem Beweis ihres Mutes klein vor. Vor zwei Tagen noch hätte er nicht geglaubt, dass er es erleben würde. Er neigte den Kopf, legte seine Lippen auf ihre und strich ganz sacht darüber, dann über ihre Augenlider, ihre Nase. Er wollte so gern bleiben und die Küsse zu etwas Wärmerem,
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