Gefaehrliche Versuchung
das Haus überwachen und halte die Augen offen nach Billy, dem Axtmann. Niemand wird an uns vorbeikommen. Aber vor deinem Bruder bist du noch immer nicht in Sicherheit.«
Sie erschauderte. Harry hatte recht. Edwin würde es nicht tatenlos hinnehmen, dass sie seiner Kontrolle entzogen worden war. Vielleicht sollten sie und Bea untertauchen. Auf den Kontinent. Oder auf die Westindischen Inseln. Sie könnte Eastcourt per Urkunde dem Dorf übertragen, damit Edwin das Anwesen auf keinen Fall bekam. Und dann könnten sie und Bea verschwinden …
»Kate«, sagte Harry und drehte sie zu sich um, »du brauchst einen Ehemann.«
Sie wich zurück und fühlte sich, als hätte sie einen Schlag abbekommen. »Einen was? Nein. Oh nein, danke. Ich hatte einen Mann. Wir sind nicht miteinander ausgekommen.«
»Mit diesem musst du nicht auskommen. Du musst nur seinen Namen annehmen, damit dein Bruder kein Recht mehr hat, dich einweisen zu lassen.«
Kate lachte. Panik schnürte ihr die Kehle zu. »Wessen Namen? Deinen?«
Er lächelte nicht. »Das habe ich deinem Bruder erzählt.«
Sie versuchte, sich von ihm zu lösen. »Sei nicht albern. Niemand wird dir vorwerfen, dass du eine so kühne Behauptung ausgestoßen hast. Ich werde ganz sicher nicht fordern, dass du ein solches Opfer bringst.«
» Ich aber«, erwiderte er und sah aufgebracht aus. »Es ist eine Frage der Ehre.«
Sie funkelte ihn an. Aus Panik wurde Schrecken. »Ach, Unsinn. Du willst nicht für den Rest deines Lebens an mich gebunden sein. Das hast du mir selbst gesagt. Du willst deinen Weg allein gehen. Eine Hochzeit mit mir würde diese Pläne zunichtemachen.«
Sie sah gerade rechtzeitig auf, um den leeren Ausdruck in Harrys Augen zu bemerken, der einen Moment später jedoch wieder verschwunden war. »Eigentlich nicht. Du lebst dein Leben, ich lebe meines.«
Sie schüttelte bereits den Kopf. »Ich wäre immer noch dein Eigentum. Nein danke, Harry. Ich bin sehr glücklich damit, mich allein um meine Angelegenheiten zu kümmern.« Sie holte tief Luft, als könnte sie so ihr hämmerndes Herz beruhigen. »Nein, wir werden einen anderen Weg finden. Prinny schuldet mir einen Gefallen.«
»Vor allem schuldet er deinem Bruder einige tausend Pfund.«
»Der Erzbischof von Canterbury ist ein Cousin von mir. Er kann eingreifen und vermitteln.«
»Wenn es um Taufe und Kommunion geht. Nicht vor dem Obersten Gerichtshof, dem Chancery Court, wo dein Bruder sich um dein Anwesen bemühen wird.«
Sie taumelte und schlug fast lang hin, da ihre zitternden Beine unter ihr nachgaben. Harry streckte die Arme aus, um ihr zu helfen, doch sie schlug seine Hände weg und hielt sich an der Rückenlehne der Bank fest. Sie packte die Decke gerade noch rechtzeitig, bevor sie auf den Boden fiel.
»Ich werde Edwin verklagen«, sagte sie und machte ein paar unsichere Schritte den Weg entlang. Sie hasste es, dass ihre Hände zitterten und dass sie sich wie eine Achtzigjährige bewegte. Wenn sie nicht in irgendein Gefängnis wollte, musste sie stark sein.
»Dazu hast du keine Zeit«, erwiderte Harry mit Bedauern in der Stimme. »Findest du nicht, dass es ein bisschen verdächtig ist, dass dein Bruder so kurz nach dem Angriff auf dein Leben gekommen ist, um dich zu holen?«
Kate blieb stehen. Der Kies auf dem Weg knirschte unter ihren Sohlen. »Du denkst, dass er ein Löwe ist, weil er versucht hat, mich einweisen zu lassen?« Sie lachte. »Ach Harry. Seit ich mit sechs Jahren sein Rudel Jagdhunde freigelassen habe, wollte er mich schon einweisen lassen. Das ist nichts Neues für mich.«
»Das Gemälde ist allerdings neu. Jemand hat es malen lassen und dafür gesorgt, dass dein Bruder es sieht. Ich glaube, jemand wusste ganz genau, dass Edwin es für die perfekte Entschuldigung halten würde, um dich an einen Ort zu bringen, wo nie wieder irgendjemand etwas von dir hören würde. Das Einzige, was deinen Bruder davon abhält, dich umgehend wieder nach Richmond Hills zu bringen, ist die Tatsache, dass er glaubt, du wärst verheiratet.«
Kate machte den Mund auf, aber sie schloss ihn wieder, weil sie sich nicht sicher war, was herauskommen würde. Harry hatte recht. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass sie für immer in diesem herausgeputzten Irrenhaus verschwunden wäre – Opfer von Edwins Neid und Gier.
Einen Moment lang glitt sie zurück in die Dunkelheit und hörte wieder das Flüstern, das leise Wispern der Angst in der Finsternis. Sie werden uns niemals freilassen. Und sie hätten es
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