Gefaehrliche Versuchung
auch wirklich nicht getan.
Dennoch schüttelte sie den Kopf. »Ich habe es dir schon einmal gesagt«, erklärte sie, und ihre Stimme klang unverzeihlich schrill. »Danke. Aber nein. Ich werde dich nicht heiraten.«
»Du hast mich schon geheiratet«, erwiderte er und stellte sich vor sie. »Zumindest steht das auf der Sonderlizenz, die Josh Wilton und Chuffy Wilde auf denselben Tag zurückdatiert haben, an dem auch die Trauung der Gracechurchs stattgefunden hat. Sie sind mit Ian Ferguson zusammen im Salon.«
Ihr Herz stockte, und sie kämpfte eine neue Welle der Angst nieder. »Sie haben mich gesehen?«
»Sie haben mir geholfen, dich zu befreien.«
Sie schlang die Arme um ihren Leib und wiegte sich sacht vor und zurück. Scham durchströmte sie, brennend wie Säure. Es war zu viel. Sie konnte ihn nicht ansehen. Sie konnte keinen von ihnen ansehen. Wenn das hier vorbei war, wusste sie nicht, ob sie jemals wieder einen Schritt vor ihre Tür machen würde.
»Bitte«, sagte sie und schüttelte den Kopf, »ich kann über n ichts von alldem reden, bis ich mich … gesammelt habe.«
Bis sie wiedererkennbar war – wenigstens für sich selbst.
»Grace kümmert sich um dein Bad«, sagte Harry. »Sie ist gekommen, um Bea zu betreuen. Aber mach dir um die anderen keine Sorgen. Sie verstehen es.«
»Nein!« Sie fühlte sich gedemütigt und hasste Harry dafür. »Sie verstehen es nicht. Ich will nicht, dass sie es verstehen.«
»Sie waren sehr gut zu dir.«
»Das ist mir egal.« Sie zitterte. »Sie können mich nicht zwingen zu heiraten. Niemand kann das.«
Seine Antwort kam leise, unerbittlich. »Dann wirst du zurück in die Anstalt geschickt.«
Hilflos.
Tränen schnürten ihr die Kehle zu – entwürdigend, schmerzvoll. Sie presste die Handballen gegen ihre Augen und versuchte, die Tränen zurückzudrängen. »Du bist ein Bastard, weißt du das?«
Seine Stimme klang ruhig, als er nach einer kleinen Pause antwortete: »Ich bin darüber genauso unglücklich wie du.«
Sie hatte keine Kraft mehr und setzte sich wieder auf die Bank. »Du hast tatsächlich eine Heiratsurkunde.«
»Unterzeichnet und beglaubigt.« Er warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu. »Wusstest du übrigens, dass Finney deine Unterschrift ganz passabel fälschen kann?«
»Natürlich weiß ich das. Ich habe ihm das schließlich beigebracht.« Sie sah auf und hasste es, flehen zu müssen. »Wir haben eine Heiratsurkunde. Das reicht doch sicherlich. Müssen wir diese Farce weiterführen und alles noch schlimmer machen?«
Harry schüttelte den Kopf. »Joshua Wilton ist ein ehrenhafter Mann. Er würde eine Urkunde nicht zurückdatieren, wenn wir die Trauung nicht wirklich vollziehen. Weißt du, welche Risiken er dafür auf sich genommen hat?«
Sie seufzte. »Ja, das weiß ich. Zur Hölle mit dir, aber selbst ich kann ihm da nicht helfen.«
Sie dachte, dass sie eigentlich eine stärkere Reaktion zeigen müsste – Übelkeit, Zorn. Das alles würde noch kommen, da war sie sich sicher. Im Augenblick waren die Tränen allerdings wieder verschwunden, und sie schien in den gefühllosen Zustand des Schocks gerutscht zu sein. Alles um sie herum wirkte grau und trostlos.
»Du würdest nicht nur mich bekommen«, drängte er sie sanft. »Du würdest meine gesamte Familie bekommen. Du weißt, wie sehr dir das gefallen würde. Du hast immer in der Küche gesessen und mit Mam geredet oder bist herumgerannt und hast mit den Kleinen gespielt.«
Er hielt inne, als wollte er Kate Zeit geben, sich von dem idyllischen Bild, das er heraufbeschworen hatte, verführen zu lassen. Sie hatte Harrys Zuhause auf The Grange, den alten Gutshof, oft besucht. Seine Familie war der Inbegriff einer Familie gewesen: zankend, lachend, sich liebevoll umarmend – meist alles zugleich. Sie hatte sich wie ein Bettler gefühlt, der einen Blick auf das Festmahl werfen durfte. Trotzdem war sie immer wieder hingegangen. Diese Erinnerungen hatten ihr oft geholfen, den Tag zu überstehen.
»Du würdest doch nicht die Chance ungenutzt lassen, dich von Mam verwöhnen zu lassen, oder?«, fragte Harry. »Du weißt, dass sie außer sich vor Freude wäre.«
Einen Moment lang schloss Kate die Augen, berauscht von der Idee. Aber sie wusste, dass Harry das nicht wirklich wollte. Sie wusste, dass sie recht hatte, als sie aufblickte und die widersprüchlichen Gefühle in seinen Augen aufblitzen sah wie die helle Mittagssonne zwischen dichten Wolken, die vorbeizogen: Sorge, Reue, Zögern, Unmut und
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