Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
befand sich mitten auf dem Wasser, diesem unbekannten Element.
Er hatte Terabyte eine Liste aller bekannten Decknamen Drakes besorgt, einschließlich einiger weniger, die dieser nur ein paarmal benutzt hatte. Und innerhalb von siebzig Stunden hatten sie sich dann tatsächlich bei ihm gemeldet – eine Kreditkarte auf den Namen Sergej Blansky war in Ostia, einer kleinen Hafenstadt außerhalb von Rom, benutzt worden.
Das war der Name, den Drake in Ossetien verwendet hatte, als er den Rebellen dort Nachschub lieferte. Soweit Rutskoi wusste, hatte Drake ihn nur in diesem einen Monat benutzt, als er in Zchinwali war, um zu verhandeln. Trotzdem hatte Rutskoi ihn nicht vergessen und auf der Liste mit den zwölf Identitäten Drakes vermerkt.
Hier gab es also einen Sergej Blansky, der ein Zimmer in einem vornehmen Fünfsternehotel in Lido di Ostia gebucht hatte, das ganz nach Drakes Geschmack sein dürfte. Zudem hatte dieser Blansky einen Lamborghini bei einem der dortigen Autohändler gekauft. Wie viele Sergej Blanskys mochte es geben, die so viel Geld besaßen?
Rutskoi hatte das Hotel aus einer Entfernung von hundert Metern beobachtet, aber irgendwie gelang es Drake, direkt vor seiner Nase zu kommen und zu gehen, ohne dass er ihn dabei auch nur ein einziges Mal beobachtet hätte. Rutskoi war sich natürlich der Tatsache bewusst, dass man für eine Operation wie diese eigentlich ein Team von fünf oder sechs Männern brauchte, die die Zielperson rund um die Uhr überwachten, aber er war nun mal allein.
Sieh zu, dass du damit klarkommst , befahl er sich selbst.
Doch das Glück war ihm hold, in Form einer SMS , die Terabyte an sein Handy geschickt hatte.
Zielperson heuert 45-Meter-Jacht in Lido di Ostia an. Name der Jacht: Bella Mia. Zahlt € 10000 pro Tag.
Rutskoi hatte sich auf dem schnellsten Weg zum Jachthafen begeben, und dort lag sie, ungefähr einen halben Kilometer vor der Küste – der fünfundvierzig Meter lange, schlanke weiße Rumpf, das Messing so poliert, dass es durch das Fernglas hindurch in den Augen wehtat. Auf dem Rumpf prangte der Name Bella Mia in Kursivschrift.
Es blieb keine Zeit, ein Taucherteam zusammenzustellen. Drake konnte jeden Moment verschwinden. Außerdem arbeitete Rutskoi sowieso lieber allein. Er fand einen ruhigen Fleck ein Stück vom Jachthafen entfernt und richtete sich dort seinen Beobachtungsposten ein. Drake war nicht im Hotelzimmer, er war auf der Jacht, darauf hätte Rutskoi glatt seine zehn Millionen Dollar verwettet.
Vermutlich war er gerade dabei, diese Frau zu ficken.
Mach du nur, Drake , dachte Rutskoi, ohne die Jacht mit seinem Fernglas aus den Augen zu lassen. Genieß die Fotze, solange du noch kannst.
Es war inzwischen dunkel geworden. Vor einer Stunde, bei Sonnenuntergang, waren in allen Räumen der Jacht die Lichter angegangen. Oh ja, Drake befand sich auf der Jacht.
Rutskoi verfügte über ein Nachtsichtgerät und konnte alles auf Deck so deutlich sehen, als ob es mitten am Tag wäre. Niemand war an Deck. Es war absolut möglich, dass Drake – in einem Anfall testosteroninduzierten Wahnsinns – die Crew fortgeschickt hatte.
Rutskoi zog ein Paar Riemen hervor und begann ungeschickt, auf die linke Seite des Schiffes zuzurudern. Backbordseite nannte man das wohl. Obwohl es dunkel war und er sich vorsichtshalber nicht reflektierende Kleidung angezogen hatte, war er sich seiner Verletzlichkeit durchaus bewusst, als er sich jetzt ruhig und langsam der Jacht näherte. Wenn es doch Wachen an Bord gäbe, brauchten sie nur zufällig mit einem Nachtsichtgerät einen Blick über die Reling werfen, und er war ein toter Mann. Oder ein rudernder Toter.
Endlich, nach einer Zeit, die ihm wie eine ganze Ewigkeit vorkam, war er am Bug des Schiffes angekommen. Er streckte die Hand aus, um das glatte Holz zu berühren, das immer noch die Wärme des Tages ausstrahlte. Noch ein paar Meter weiter, und er erreichte eine Strickleiter. Schon besser. Rutskoi war athletisch und fit. Er band das Boot an die Strickleiter und kletterte wie ein Äffchen hinauf, überglücklich, das kleine auf und ab tanzende Boot zu verlassen und gegen die Sicherheit der weitaus stabileren Jacht auszutauschen.
Er bewegte sich vorsichtig, ohne auch nur das geringste Geräusch zu verursachen. Er besaß eine Glock 17, die ein ehemaliger Offizier der Speznas , der jetzt in Rom lebte, ihm zusammen mit dem Nachtsichtgerät überlassen hatte. Selbstverständlich war es keine „heiße“ Waffe, sie besaß also
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