Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
intim, ganz anders als wenn er für ihn allein gedeckt war. Wenn er hier aß, ging es darum, Nahrung aufzunehmen, die er benötigte. Dies wirkte eher wie eine kleine Zeremonie.
Das Bild musste die Künstlerin in ihr angesprochen haben, denn bei diesem Anblick verzogen sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln. „Sehr hübsch“, sagte sie leise.
Er nickte. Es war in der Tat sehr hübsch.
Niemand hatte ihm je Manieren beigebracht. Er war auf der Straße groß geworden, hatte sich den Weg an die Spitze erkämpft. Niemand hatte ihm je gesagt, wie ein Mann sich in Gesellschaft, in der Anwesenheit von Damen, zu verhalten hatte. Seine prägenden Jahre hatte er mit Bandenchefs, Generälen und Rebellenführern verbracht. Später hatte er Freundschaft mit einigen Kriegsreportern geschlossen, die dem Alkohol verfallen waren, und dem ein oder anderen raubeinigen CIA -Agenten. Keiner von denen hatte über nennenswerte Manieren verfügt.
Aber Drake wusste, wie man sich Dinge durch Beobachtung aneignete und wie man sich anpasste. Daher wusste er, dass von ihm erwartet wurde, Grace zu ihrem Stuhl zu begleiten, diesen hervorzuziehen und zu warten, bis sie sich gesetzt hatte, ehe er selber Platz nahm. So hatte er es gesehen, daher wusste er, wie es sein sollte.
Aber es ging ihm nicht darum, irgendein abstraktes Gesellschaftsideal zu erfüllen, als er sie zu ihrem Stuhl führte und ihn herauszog. Es geschah vielmehr ganz natürlich, instinktiv. Dieses Verhalten stammte aus den verborgensten Tiefen seiner Persönlichkeit. Es bereitete ihm enormes Vergnügen, sie zu seinem Tisch zu bringen und sich zu vergewissern, dass sie bequem saß, ehe er sich selbst setzte. Nichts davon hatte mit guten Manieren zu tun. Dies alles rieten ihm sein Instinkt und sein Bauchgefühl.
Seine Köche hatten sich selbst übertroffen. Er hatte um etwas Warmes, Nahrhaftes gebeten. Offensichtlich war das gleichbedeutend mit Suppe. Eine grüne Suppe, wie er entdeckte, als er ihren Teller füllte.
„Ich habe keine Ahnung, was das ist.“ Er füllte seinen eigenen Teller und wartete, bis sie den Löffel nahm und anmutig von der Suppe kostete. „Ich hoffe, sie ist gut. Meine Köche scheinen zu wissen, was sie tun. Meistens jedenfalls.“
„Sie ist köstlich“, sagte sie leise. „Und nur zu Ihrer Information: Das ist Brunnenkressesuppe.“
Brunnenkresse. Jesses! Er kannte jede Schusswaffe, die je hergestellt worden war, und jeden Griff, der in irgendeiner obskuren Kampfsportart angewendet wurde. Aber von dieser Kresse hatte er noch nie gehört. Was zur Hölle war Brunnenkresse?
„Ein wild wachsendes Kraut.“ Sie lächelte ihn zaghaft an, als sie auf seine unausgesprochene Frage antwortete. „Kosten Sie mal. Sie werden sie mögen. Sie ist wirklich ausgezeichnet.“
Er leistete ihrer Aufforderung Folge und stellte fest, dass sie recht hatte.
Sie waren beide hungrig und machten mit den aufgetragenen Speisen kurzen Prozess. Drake wusste, dass das Essen gut war, sogar fantastisch, konnte es aber nicht so recht genießen. Er war vollkommen von Grace Larsen in Anspruch genommen. Von ihr an seinem Tisch, direkt neben ihm.
Im vergangenen Jahr hatte er außergewöhnliche Risiken auf sich genommen, nur um sie zu sehen. Er hatte sich immer wieder gesagt, was für ein Idiot er doch sei, und niemals damit gerechnet, dass er tatsächlich einmal neben ihr sitzen würde, außer mitten in der Nacht, in seinen Träumen.
Seine Wunden waren immer schon sehr schnell verheilt, beinahe mit übernatürlicher Geschwindigkeit. Schon jetzt fühlte er sich viel besser, fast normal. Er konnte fühlen, wie mit jeder Minute die Kraft in seinen Körper zurückkehrte, wie das Blut immer kräftiger durch seine Adern strömte. Der größte Teil leider direkt in seinen Schwanz.
Er hatte absichtlich eine enge, steife Jeans angezogen, in der Hoffnung, sie werde als eine Art Keuschheitsgürtel dienen, aber das funktionierte leider nicht. Es erregte ihn schon, sie nur dabei zu beobachten, wie sie aß, sich bewegte, ja, schon wie sie atmete.
Scheiße!
Er verfügte über eine enorme mentale Disziplin, aber in diesem Fall halfen keine Gedankenspielchen. Nicht, wenn Grace weniger als einen halben Meter von ihm getrennt saß und ihr Gi über den Brüsten ein wenig auseinanderklaffte und die Aussicht auf gewisse Senken und Schatten freigab und ihr zartes Schlüsselbein zu sehen war.
Er ballte die Hand, die auf dem Tisch lag, zur Faust. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als die Hand
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