Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
innehalten. Er war daran gewöhnt, zu niemandem und nirgendwohin zu gehören und wie niemand sonst auf dem Planeten zu sein. Das war eine der elementarsten Erkenntnisse über sich selbst. Er war ein Einzelgänger und ein Außenseiter, und nichts würde daran jemals etwas ändern.
Sein Daumen streichelte langsam die weiche Haut ihrer Hand. „Vielleicht sind wir das“, stimmte er ihr zu. Bei dieser Vorstellung und dem Gefühl ihrer Haut durchfuhr ihn ein kleiner Schock. Dann blickte er auf ihren Teller und runzelte die Stirn. Sie hatte nur die Hälfte des Desserts gegessen. Sie brauchte Zucker, um den Schock zu verwinden, den sie heute Nachmittag erlitten hatte, und … und er wollte, dass sie ihren Nachtisch aufaß. Er war köstlich. Sie hatte ihn nötig, aber mehr noch wollte er, dass sie die Nahrung aß, die er ihr verschafft hatte, dass sie sich danach verzehrte.
„Hier“, sagte er plötzlich, ließ ihre Hand los und nahm ein Stück der Zitronentorte auf den Löffel. „Essen Sie auf. Sie haben es nötig. Mund weit aufmachen.“
Gehorsam öffnete sie den Mund. Er fütterte sie mit dem Bissen und ließ ihren vollen, rosa Mund nicht aus den Augen, als er sich über dem Löffel schloss. Langsam zog er ihn wieder heraus, wobei er sich überaus lebhaft vorstellte, dass es sein Schwanz wäre, der aus ihrem Mund glitt. Dieses Bild stieg einfach so vor ihm auf, unkontrollierbar, unaufhaltsam. Wieder sammelte sich das Blut zwischen seinen Beinen.
Oh Gott, alles war in diesem Augenblick so … wunderbar. Das große Feuer verlieh ihrer Haut einen flackernden rosa Schimmer, ähnlich dem Nordlicht, das er in Wladiwostok gesehen hatte. Die Kerzen spiegelten sich als helle Lichtpunkte in ihren blaugrünen Augen. Er war ihr nahe genug, um ihre Haut zu riechen. In dem Zimmer herrschte vollkommene Stille, bis auf das Prasseln und Knacken der Flammen und das gelegentliche leise Rauschen, wenn ein Holzscheit im Kamin in sich zusammenfiel.
Ihre Augen waren ebenfalls fest auf die seinen gerichtet. Er wusste, dass sie sein Verlangen sah, und er wusste auch, dass sie sah, dass er es zu unterdrücken versuchte.
Sexuelle Spannung knisterte zwischen ihnen und ließ ihre Augen aufleuchten. Doch zugleich flackerte auch Unruhe in ihnen auf. Auch wenn die Luft vor sexueller Energie flimmerte, wusste Drake, dass er sich jetzt zurückhalten musste, wenn er sie nicht verschrecken wollte.
Er würde sie haben. Oh ja!
Nicht heute Nacht, aber bald.
Grace wandte den Blick ab und unterbrach die Verbindung. „Glauben Sie, dass die Leiche bald freigegeben wird? Er hat einen Sohn in L.A. Leider stehen sie einander nicht sehr nahe. Ich glaube, das war eins der Dinge, die Harold am meisten in seinem Leben bedauert hat, dass er seinem Sohn nicht sehr nahe war. Er hat nie viel über ihn geredet, aber wenn er es tat, lag immer so ein trauriger Ausdruck auf seinem Gesicht. Ich weiß nicht, für was für eine Art Gedenkfeier sein Sohn sich entscheiden wird. Harold war Jude, aber nicht sehr religiös. Ich hoffe, ich werde erfahren, wann die Feier stattfindet.“
Jedes einzelne Haar auf Drakes Körper richtete sich auf.
„Nein“, sagte er, und Grace’ Augen wurden groß. Er musste es sich verkneifen, ihr eiskalt zu befehlen, jeden Gedanken an eine Teilnahme an Harold Feinsteins Gedenkfeier zu vergessen. Und das Verbot dann noch zu erweitern, indem er ihr sagte, dass sie von jetzt an sein siamesischer Zwilling sein würde, der mit ihm an der Hüfte zusammengewachsen war, und dass sie ohne seine ausdrückliche Erlaubnis das Gebäude nicht zu verlassen habe – erst recht nicht ohne ihn an ihrer Seite.
Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Das würde einer Frau, die daran gewöhnt war, vollkommen unabhängig zu sein, gar nicht schmecken. Sie würde sich widersetzen.
In seinem Kopf schwirrten die Gedanken nur so durcheinander, auf der Suche nach Worten, die sie überzeugen könnten. Es war schwer, sich darauf zu konzentrieren, während sein Kopf mit einer deutlichen Vision erfüllt war: ihr Leichnam in einer Lache ihres eigenen Blutes, niedergeschossen von Rutskoi oder einem von Corderos Schlägern. Oder schlimmer noch: mit durchschossenen Ellenbogen und Knien, genau wie Ledermantel es angedroht hatte. Das war Corderos Markenzeichen.
Nein. Sie würden Grace niemals in die Hände bekommen. Nicht, solange er am Leben war.
Drake bemühte sich, seine Stimme möglichst überzeugend klingen zu lassen, aber das war gar nicht so leicht. Er war es
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