Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
dem Hauch eines Akzents, den sie nicht verorten konnte – drang bis tief in ihre Knochen, als ob sie ihn schon tausendmal zuvor sprechen gehört hätte.
„Woher kommen Sie?“
Er schenkte ihr ein frostiges Lächeln. „Ich habe keine Ahnung.“ Als sie zurückwich, hob er die Hand, und tiefe Furchen zeigten sich zwischen seinen Augenbrauen. Sein Akzent wurde stärker. „Das sage ich nicht nur so daher – ich weiß wirklich nicht, wo ich geboren wurde. In meinen frühesten Erinnerungen bin ich ein Straßenkind in Odessa, das zu einem ganzen Rudel von kleinen Ganoven gehörte, wie Sie hier vielleicht sagen würden. Irgendjemand meinte einmal, ich könnte aus Tadschikistan stammen.“ Er zuckte mit den Achseln. „Als Kind habe ich eine schreckliche Mischung aus Russisch, Tadschikisch und Ukrainisch gesprochen. Ich habe Jahre gebraucht, ehe ich die Sprachen auseinanderhalten konnte.“
Er bemühte sich, ihr Angst einzujagen. Nein, keine Angst. Seine Körpersprache war eindeutig beschützend, nicht aggressiv. Aus irgendeinem Grund versuchte er jedoch, sich selbst in möglichst schlechtem Licht darzustellen.
„Also gut, Drake, dann will ich Ihnen mal etwas sagen. Es fällt mir wirklich schwer, wütend auf jemanden zu sein, der den schrecklichen Fehler begangen hat, meine Bilder zu sehr zu lieben.“
Ein großes Holzscheit fiel mit lautem Krachen und stiebenden Funken in sich zusammen. Das Feuer erstarb langsam, verzehrte sich selbst. Ehe sie es verhindern konnte, brach ein gewaltiges Gähnen aus ihr heraus.
„Tut mir leid.“ Ihre Augen fühlten sich so schwer an. Sie konnte spüren, wie das Gewicht ihrer Nackenmuskeln auf ihren Schultern lastete. Es fiel ihr schwer, aufrecht sitzen zu bleiben.
Drake legte seine Hand auf ihre. „Sie sind müde“, sagte er. „Sie müssen sich ausruhen, nach allem, was Sie heute durchgemacht haben. Sie müssen schlafen.“ In einer einzigen geschmeidigen Bewegung erhob er sich und half ihr dabei aufzustehen. Er legte ihr die Hand in den Rücken.
Seine Hände waren wirklich erstaunlich. Groß und hart und wie kleine Öfen. Die Wärme der Hand in ihrem Rücken drang durch die Seide des Gi , als ob sie ein kleines Heizkissen wäre.
Eine Hand hielt die ihre, die andere lag auf ihrem Rücken. Einen Augenblick lang war es, als ob er sie umarmte. Grace war vollkommen entsetzt, als sie feststellen musste, dass sie versucht war, einfach nachzugeben, sich an ihn zu schmiegen und zu fühlen, wie sich diese unglaublich starken Arme um sie schlangen. Die Versuchung war so stark, dass sie einen Moment lang erstarrte, um ihr nicht nachzugeben.
Offensichtlich verstand er das falsch, denn er ließ die Hände sinken und trat abrupt einen Schritt zurück.
Wie verrückt. Sie fühlte sich … im Stich gelassen. Schon jetzt vermisste sie seine Hände auf ihrem Körper, ihre Hitze, die auf sie überging, das Gefühl, von seiner immensen Kraft beschützt zu werden.
„Kommen Sie“, sagte er. „Sie müssen am Ende Ihrer Kräfte sein.“ Er wandte sich um und wies in Richtung Tür. Wieder gingen sie schweigend durch den riesigen Korridor, bis er vor der Schlafzimmertür stehen blieb, sie öffnete und ihr bedeutete einzutreten. „Ich habe niemals Gäste, darum gibt es leider nur dieses eine Bett. Ich werde auf einer Couch schlafen.“
Grace erstarrte. „Sie werden ganz sicher nicht in Ihrem eigenen Zuhause auf einer Couch schlafen. Wenn hier jemand auf einer Couch schläft, dann ich. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass Sie angeschossen wurden, für den Fall, dass Sie das schon wieder vergessen haben.“
Er lächelte freudlos. „Nein, das habe ich nicht vergessen. Aber es ist undenkbar, dass Sie auf einer Couch schlafen. Das kann ich auf keinen Fall zulassen. Sie werden auf dem Bett einen Schlafanzug finden und … “
„Drake.“ Grace trat näher an ihn heran und blickte ihm in die Augen. Müde Augen mit dunklen Rändern. „Denken Sie nicht mal daran. Ich habe gewiss nicht vor, einen verwundeten Mann auf einer Couch schlafen zu lassen. Das ist mein letztes Wort.“ Sie deutete auf das Bett, das groß genug war, um Mais darauf anzupflanzen. „Wenn Sie darauf bestehen – das Bett ist für uns beide groß genug, und für eine Fußballmannschaft noch dazu.“
Vor Erleichterung sackte er regelrecht in sich zusammen und fing sich gerade noch in letzter Sekunde. Seine tiefbraunen Augen wurden weich. „Sie … Sie vertrauen mir? Ich schwöre Ihnen, dass Sie sicher sind. Ich schwöre
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