Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
Mahlzeiten von einer ausgezeichneten Köchin zubereitet werden. Da werde ich viel Geld sparen, weil ich nicht ins Restaurant muss. Also … Wie komme ich dorthin?« Er wusste ganz genau, wie man nach Greenbriars kam, aber es wäre seltsam gewesen, wenn er nicht gefragt hätte.
»Haben Sie ein Auto, Mr Prescott?«
»Nein, noch nicht. Ich bin mit dem Taxi direkt vom Flughafen hierhergekommen. Ich werde mir am Montag eins mieten.«
Caroline stand auf. Er erhob sich ebenfalls und packte den Griff seines Seesacks. Dabei kam er ihr sehr nahe und trat augenblicklich zurück. Es war eine instinktive Reaktion. Er war so groß, dass er darauf achten musste, genügend Abstand zu anderen Menschen zu halten, um nicht bedrohlich über ihnen aufzuragen. Aber vor allem wollte er Caroline nicht beunruhigen.
»Na ja, heute wird wohl niemand mehr kommen. Nicht bei diesem Wetter.« Sie zuckte bedauernd die Achseln. »Ich glaube, ich werde den Laden einfach schließen. Sie können mit mir fahren, Mr Prescott.«
»Danke, Ma’am! Das weiß ich zu schätzen.«
»Ist schon gut, Jack, und bitte nennen Sie mich Caroline.«
»Caroline«, sagte er. Dieses Wort kam ihm nun zum ersten Mal seit zwölf Jahren über die Lippen.
Sie starrte zu ihm auf, offenbar vollkommen in ihren Gedanken verloren.
Er wartete kurz ab. »Caroline? Ma’am?«
Caroline schüttelte sich kurz. »Ja, ähm … Wenn Sie vielleicht an der Tür auf mich warten würden? Ich muss noch den Computer herunterfahren und die Schuhe wechseln.«
Sie blickte auf ihre hübschen Schuhe hinab, die in diesem Schnee garantiert schmelzen würden. Auch Jack sah nach unten. Ihrer beider Füße bildeten einen beinahe schockierenden Kontrast, als ob sie zwei unterschiedlichen Spezies angehören würden und nicht nur verschiedenen Geschlechtern: Carolines in den hübschen, schmalen, spitzen, beigefarbenen Stöckelschuhen und Jacks in seinen riesigen, uralten, mitgenommenen Kampfstiefeln. Ihre Köpfe hoben sich zur selben Zeit und ihre Blicke trafen sich.
Jacks Hände umklammerten seinen Seesack, da die Versuchung, sie auszustrecken, um Caroline zu berühren, inzwischen fast unerträglich geworden war.
Er hatte sie nie berührt, nicht ein einziges Mal in der ganzen Zeit, in der sie das Obdachlosenheim besucht hatte. Er hatte unablässig darüber nachgedacht, hatte es aber nie gewagt.
Caroline zog sich in ihr Büro hinter einem hüfthohen Tresen zurück.
Seine Finger verkrampften sich um den Griff des Seesacks, während er dem Piepen des Computers hinter einer Trennwand lauschte. Ihr Kopf verschwand, als sie sich bückte, um die Schuhe zu wechseln.
Als Caroline wieder zum Vorschein kam, trug sie gefütterte Stiefel, eine Wollmütze und einen Daunenmantel, der ihr fast bis zu den Fußknöcheln reichte. Obwohl sie derart vermummt war, dass sie genauso gut ein Mann oder ein Marsmännchen hätte sein können, war sie so begehrenswert, dass es wehtat. Er beobachtete, wie sie anmutig zu einem Sicherungskasten in der Wand ging, die Lichter ausschaltete und die Tür öffnete.
Selbst durch das Tosen des Windes war zu hören, wie sie nach Luft schnappte.
Es war, als hätte sie die Pforte zu einer eisigen Hölle geöffnet. Der Wind hatte an Stärke zugenommen und heulte wie eine gequälte Seele in den tiefsten Abgründen der Unterwelt. Er trieb schmerzhafte Nadeln aus Eisregen vor sich her, die sich in die Haut bohrten. Es war so kalt, dass es einem die Luft aus den Lungen trieb.
»Oh mein Gott!« Caroline schreckte zurück, als ob ihr jemand ins Gesicht geschlagen hätte, und fiel – direkt in Jacks Arme.
Jack zog Caroline in den Laden zurück und kämpfte gegen den Wind an, um die Kontrolle über die Tür zurückzugewinnen. Dabei musste er sich tatsächlich etwas anstrengen. Er lehnte sich dagegen, streckte die Hand aus und verlangte im Befehlston: »Geben Sie mir Ihre Autoschlüssel!«
Schon nach dieser kurzen Begegnung mit den Naturgewalten konnte Caroline nicht mehr aufhören zu zittern. Sie brauchte einige Anläufe, bis es ihr gelang, die Handtasche zu öffnen, aber schließlich schaffte sie es und ließ einen Schlüsselbund in seine Handfläche fallen. Erst dann blinzelte sie angesichts ihres blinden Gehorsams. »Wieso …«
»Sie werden dort draußen erfrieren. Was für eine Marke fahren Sie und wo haben Sie Ihren Wagen geparkt? Ich hole ihn her und halte direkt vor der Tür, damit Sie in diesem Wetter nicht draußen herumlaufen müssen.«
Caroline wirkte verwirrt. »Es ist ein
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