Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
gleich neben dem Auto ein Laternenmast befand, aber sehen konnte sie ihn nicht.
Was für ein Albtraum!
Jack sah sie ruhig an. »Möchten Sie, dass ich fahre?« Es war, als ob er ihre Gedanken lesen könnte.
Oh Gott, ja! Die Worte waren da, warteten nur darauf, ausgesprochen zu werden, aber Caroline biss sich auf die Lippen, um sie zurückzuhalten. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als den Lenker jemand anders zu überlassen. Sie fürchtete sich davor, bei schlechtem Wetter Auto fahren zu müssen. Schlechtes Wetter führte zu Unfällen. Ihre Eltern hatten in genau so einem Blizzard wie diesem hier den Tod gefunden, als ihr Wagen in eine Kreuzung hineinschlitterte, direkt in einen entgegenkommenden Lkw … denk an etwas anderes .
»Caroline?«, sagte er noch einmal. »Es macht mir nichts aus, im Schnee zu fahren.«
Sie war versucht, Ja zu sagen. Oh Gott, wie gerne hätte sie Ja gesagt! Diese ganze grauenhafte Fahrt einfach diesen großen, so kompetent wirkenden Händen überlassen. Er würde seine Sache gewiss besser machen als sie.
Aber das war ihr Auto, und es lag in ihrer Verantwortung, ihren neuen Untermieter nach Hause zu bringen. Das Leben hatte sie auf die harte Tour gelehrt, sich ihren Problemen selbst zu stellen, ohne Unterstützung.
»Nein, ist schon okay.« Sie schob den Sitz nach vorn, legte den ersten Gang ein und trat aufs Gas. Die Räder drehten erst durch, bis sie endlich griffen. So weit, so gut. »Mir geht’s gut«, log sie und manövrierte den Wagen langsam auf die Straße. Oder auf das, was sie für die Straße hielt.
Nur gut, dass sie den Heimweg auch mit verbundenen Augen gefunden hätte, weil es sich nämlich haargenau so anfühlte, bei dem Wetter zu fahren. Große weiße Lagen Schnee wirbelten vom Himmel herunter, der heulende Wind trieb sie horizontal durch die Luft und peitschte die Flocken zu wilden Tornados auf. Manchmal sah es sogar so aus, als würde der Schnee von der Erde in den Himmel fallen.
Caroline stellte das Radio an, eine alte Gewohnheit, wenn sie bei schlechtem Wetter fahren musste. Sie verbrachte die meiste Zeit allein in ihrem Auto, und das Radio gab ihr das Gefühl, mit dem Rest der Menschheit verbunden zu sein.
»… größte Blizzard seit 1957, wie uns der Wetterdienst berichtet, schlimmer sogar noch als der Schneesturm von 2001, und ich zumindest nehme ihnen das sofort ab.«
Caroline lächelte, als sie Roger Stotts wunderschönen Bariton hörte. Bei ihm klang sogar das grauenhafteste Wetter sexy. Allein wegen seiner Stimme war sie ein paarmal mit ihm ausgegangen, bevor die Probleme mit Toby ihn vertrieben hatten.
Nur einer von vielen Männern in einer langen Reihe potenzieller Verehrer, der einfach nicht mit dem zurechtgekommen war, womit sie es in ihrem Leben zu tun hatte.
»Und jetzt zu den internationalen Nachrichten. Wie UN -Friedenstruppen in Sierra Leone berichteten, schlachtete eine Gruppe US -amerikanischer Söldner ein ganzes Dorf voller Frauen und Kinder ab und machte sich mit einem Vermögen in Blutdiamanten davon. Der Anführer dieser Gruppe befindet sich zurzeit in einem Gefängnis der Vereinten Nationen. Die UN -Sprecherin Elfriede Breitweiser gab an, dass die Männer für ein Vertragsunternehmen arbeiteten, eine amerikanische Sicherheitsfirma mit Sitz in North Carolina, die sich …«
Das Radio wurde ausgeschaltet. Überrascht sah Caroline zu ihrem Passagier hinüber. Sein dunkler Blick traf auf ihren. »Für schlechte Nachrichten ist das Wetter viel zu scheußlich.«
Wie wahr! Caroline kämpfte gegen den Sturm an, der ihren kleinen Wagen kräftig durchschüttelte. Sie bemühte sich verzweifelt, das Auto auf der Straße zu halten, ohne ins Schleudern zu geraten. Die Knöchel ihrer Hände, die das Lenkrad umklammerten, traten weiß hervor, während sie sich so weit wie möglich nach vorne beugte, um durch die Windschutzscheibe zu spähen. Sie konnte kaum den Straßenrand erkennen und lenkte den Wagen eher durch ihren Instinkt als aufgrund dessen, was sie sah.
Es war schrecklich. Sie schlich mit zehn Meilen pro Stunde dahin. Bei dieser Geschwindigkeit würde es wenigstens eine Stunde dauern, bis sie zu Hause waren. Caroline trat aufs Gaspedal.
Und dann passierte alles gleichzeitig.
Zu spät spürte Caroline, dass die Reifen keine Straßenhaftung mehr hatten. Einen Sekundenbruchteil später durchbrach ein scharfes Geräusch den Lärm des heulenden Windes. Augenblicklich begann das Fahrzeug wild zu schlingern, als Caroline die Kontrolle
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