Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
sehen, wie er groß und dunkel und konzentriert neben dem Kotflügel kniete. Sie schaltete die Innenbeleuchtung ein, weil sie hoffte, dass ihm das irgendwie half, zugleich bezweifelte sie es. Vermutlich war es eher ein Trost für sie als eine Hilfe für ihn.
Viel rascher, als sie es je für möglich gehalten hätte, klopfte er an ihr Fenster.
Er bückte sich und presste den Mund dicht ans Glas. »Möchten Sie, dass ich fahre?«, brüllte er. Seine tiefe Stimme übertönte sogar das Heulen des Windes.
Oh Gott, ja ! Ja, ja, ja !
Zur Hölle mit dem Feminismus! Zur Hölle mit dem Pflichtbewusstsein! Schon der bloße Gedanke, in diesem Wetter mit ihren abgenutzten Reifen über Glatteis zu fahren, ließ sie in Schweiß ausbrechen. Das hieße nur, einen weiteren Unfall herauszufordern.
Ihre Blicke trafen sich durch das Glas, und Caroline nickte.
»Rutschen Sie rüber, und schnallen Sie sich an!« Er hatte die Hände um den Mund gelegt, und trotzdem waren seine Worte kaum zu verstehen.
Er ließ sie nicht aussteigen und um den Wagen herumgehen. Gott sei Dank! Caroline schaffte es auf den Beifahrersitz hinüber, ohne sich die Hüfte am Schaltknüppel zu brechen. Jack wartete, bis sie saß und sich den Gurt über die Brust gezogen hatte, bevor er die Tür öffnete. Es gelang ihm nur mit Mühe, seine Beine im Fußraum unterzubringen, und er musste den Sitz so weit zurückschieben, wie es nur ging, sodass sie jetzt parallel nebeneinander saßen. Dann ließ er den Motor an, um ihn vorzuwärmen.
Caroline drehte sich zu ihm um. Er war nur ein großer, dunkler Schatten in der Dunkelheit. »Das ging aber schnell. Ich hätte bei diesem Wetter eine Stunde gebraucht, wenn ich es überhaupt geschafft hätte.«
Er sah zu ihr herüber. Einer seiner Mundwinkel hob sich zu der Andeutung eines Lächelns, nur ein rasches Aufblitzen weißer Zähne. »Ich habe schon jede Menge Reifen unter feindlichem Beschuss gewechselt. Da lernt man, sich zu beeilen.«
»Das glaub ich Ihnen gern. Hören Sie …« Caroline holte tief Luft. Er hatte eine Entschuldigung verdient. »Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie den Reifen gewechselt haben. Das war eigentlich meine Sache, und – oh du meine Güte, Sie sind verletzt!« An seiner rechten Hand glänzte etwas Dunkles, Flüssiges. »Du lieber Himmel, erst wechseln Sie für mich den Reifen, und dann wird mein Wagen auch noch frech und beißt Sie! Es tut mir so leid.« Sie wühlte im Handschuhfach, bis sie ein paar Papiertaschentücher gefunden hatte, von denen sie eins gleich auf seine Hand drückte. Das Tuch färbte sich auf der Stelle dunkelrot. Er musste sich eine tiefe Wunde zugezogen haben. Sie nahm das nächste Tuch. »Pressen Sie das bitte ungefähr fünf Minuten gegen Ihre Hand, bis die Blutung aufhört. Es kann sein, dass Sie genäht werden müssen, das sieht gar nicht gut aus. Wir können unterwegs bei der Notaufnahme des Krankenhauses anhalten.«
»Nein«, sagte er mit seiner tiefen, sanften Stimme, während er ihre Hand mit seiner bedeckte. Sie hatte ihre Handschuhe zum Fahren ausgezogen, und ein Ruck ging durch ihren ganzen Körper, als seine große, raue Hand die ihre bedeckte. Seine Hand war heiß, und ihre Hitze strahlte nicht nur auf ihre Finger, sondern auf ihren ganzen Körper aus.
Das Gefühl von seiner Haut an ihrer war geradezu elektrisierend. In dieser Dunkelheit schien ihr seine heiße Hand ein Anker zu sein. Er berührte ihre Hand nur ganz sanft, aber die Auswirkung war enorm. Hitze durchströmte sie, ein scharfer Kontrast zu der Kälte, der Panik, die sie verspürt hatte. Sie war vor Angst wie gelähmt gewesen, aber seine Berührung sandte Kraft und Wärme durch ihren Körper und ihren Geist.
Er drückte noch einmal sanft zu und nahm seine Hand wieder weg. »Meine Wunden verheilen schnell, da machen Sie sich mal keine Sorgen. Wir müssen jetzt los, sonst kommen wir gar nicht mehr nach Hause.«
»Aber Ihre Hand …«
»Der geht’s gut.« Er machte die Innenbeleuchtung aus, legte den ersten Gang ein und trat aufs Gas. Im nächsten Moment hatten sie schon die Straße überquert und befanden sich wieder auf der richtigen Seite. »Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen. Erklären Sie mir einfach nur den Weg zu Ihrem Haus. Wir müssen so schnell wie möglich dorthin. Wo muss ich abbiegen?«
Es stimmte. Seine Wunden verheilten schnell. Der tiefe Schnitt hatte fast schon aufgehört zu bluten.
Caroline blickte verunsichert aus dem Fenster, obwohl die Sicht fast
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