Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
andere Art von Licht in seinem Blick, ganz unverkennbar.
Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er mehr bewunderte als nur das Abendessen. Er hatte nicht ein unangemessenes Wort gesagt, aber sein männliches Interesse war offensichtlich und übermächtig. Nicht, dass er sie derbe von oben bis unten angegafft hätte – sein Blick blieb fest auf ihr Gesicht gerichtet –, aber Caroline hatte mehr als genug Erfahrung im Umgang mit männlicher Bewunderung, um ganz genau zu wissen, wann sie selbst in deren Mittelpunkt stand. Jack Prescott war eindeutig interessiert.
Sie sah gut aus, das wusste sie. Sie hatte geduscht, sich besondere Mühe mit dem Make-up gegeben und ihr Haar hochgesteckt, sodass ihr nur einige wenige Strähnen über die Schultern fielen.
Und sie trug eins der Armani-Kleider ihrer Mutter. Sie hätte sich niemals ein solches Cocktailkleid leisten können, nicht in einer Million Jahren. Aber sie hatte immer noch die Garderobe ihrer Mutter, und die war so reichhaltig wie vielfältig. Monica Lake hatte einen ausgezeichneten Geschmack und einen gutmütigen Ehemann besessen, der sie nur zu gerne mit Geschenken überschüttet und sich mit ihr geschmückt hatte.
In dem Versuch, ihre Stimmung zu heben, hatte Caroline beschlossen, sich für diesen Abend herauszuputzen. Schließlich war heute verdammt noch mal Heiligabend, und statt den Abend einsam in einem kalten Haus zu sitzen, verbrachte sie ihn mit einem überaus attraktiven Mann. Außerdem war – Wunder über Wunder – der Heizkessel immer noch nicht kaputtgegangen und darum konnte sie das schulterfreie Cocktailkleid tragen, ohne sich wie eine Idiotin zu fühlen.
Es fühlte sich beinahe wie ein Rendezvous an.
Wann hatte sie sich eigentlich zuletzt verabredet? Lange vor Tobys letztem Zusammenbruch. Im September vielleicht?
Sie war zu Jennas Bank gegangen, um sie zum Mittagessen abzuholen, und Jenna hatte sie dem neuen Vizepräsidenten vorgestellt. Er war blond, gut aussehend, Anfang dreißig, und er war auf der Stelle hingerissen gewesen. Er ließ sich von Jenna ihre Nummer geben und rief noch am selben Abend an, um sich mit ihr zu verabreden.
George lud sie in ein vornehmes japanisches Restaurant – kühl und elegant – ein. Es war ein wundervoller Septemberabend, warm und verheißungsvoll. George war intelligent, lustig, romantisch. Ein charmanter Begleiter. Sexy auf eine unaufdringliche Weise. Nach ein paar Dates war Caroline ernsthaft versucht, mit ihm zu schlafen. Sie fragte sich gerade, wie es wohl sein würde, als ihr Handy klingelte. Es war Tobys Krankenschwester. Toby hatte einen Anfall.
George bestand darauf, sie nach Hause zu begleiten, und sah entsetzt dabei zu, wie sie sich um Toby kümmerte.
Sie hatte nie wieder von George gehört. Sie hatte ihn nicht einmal mehr gesehen . Die Art, wie er sie mied, war schon peinlich. Es gelang ihm stets, abwesend zu sein, wenn sie Jenna zum Mittagessen abholte, und auf die einzige Nachricht, die sie ihm auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, hatte er nie geantwortet. Caroline brauchte nicht erst einen Wink mit dem Zaunpfahl, um zu begreifen, dass er in keinerlei Weise Anteil an ihrem Leben haben wollte. Ihr Leben war für ihn viel zu hart.
Danach aßen Jenna und sie ihr Mittagessen immer in ihrem Buchladen First Page . Sie bestellten sich etwas beim Chinesen und bezahlten abwechselnd. So war es für alle am einfachsten.
Jack legte seine Gabel hin und nahm einen Schluck Wein. »Wow. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal besser gegessen zu haben. Genau genommen kann ich mich überhaupt nicht mehr an meine letzte gute Mahlzeit erinnern. Das muss definitiv vor Afghanistan gewesen sein.«
Caroline sah Jack beim Essen zu. Er verfügte über ausgezeichnete Tischmanieren, auch wenn sie jedes Mal zusammenzuckte, wenn er nach seinem Weinglas griff. Seine Hände waren so riesig und wirkten so grob. Und doch waren sie zu Zartgefühl fähig. Seine Bewegungen waren präzise und beherrscht. Vielleicht befand sich ihr Weinglas ja doch nicht in Gefahr.
George hatte kleine, weiße, weiche Hände gehabt. Sie versuchte, sich ihn in Afghanistan vorzustellen, und scheiterte kläglich.
»Was genau haben Sie eigentlich in Afghanistan gemacht?«, fragte sie, während sie Jack einen Nachschlag gab und innerlich lächelte, als er ihr dankbar zunickte.
»Ich war zweimal da, einmal für die Regierung und einmal für die Firma. Das erste Mal war ich sechs Monate lang dort stationiert, gleich nachdem ich
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