Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
Hände zu Fäusten, weil er fürchtete, er könnte sie packen und zu Boden schleudern. Jede einzelne Zelle seines Körpers schrie vor Verlangen, verzehrte sich danach, sie zu nehmen. Es lag nicht nur an den sechs Monaten Enthaltsamkeit. Es war, als ob er noch nie im Leben Sex gehabt hätte. Es fühlte sich an, als ob eine ganze Lebensspanne aufgestauter Begierde durch seinen Körper rauschte, in seinen Adern brannte.
Eine Berührung war in diesem Moment zu schwierig. Du musst reden! , befahl er sich selbst.
Ich möchte heute Nacht nicht allein sein .
»Ich lasse Sie heute Nacht nicht allein, Caroline. Kommen Sie mit mir.« Er legte eine Hand unter ihren Ellbogen – kein Risiko, da er von schwarzer Seide bedeckt war – und half ihr vom Klavierhocker hoch. Sie erhob sich, die großen silbergrauen Augen unverwandt auf ihn gerichtet.
Vermassel es nicht! , ermahnte er sich erneut. Sein neues Mantra.
Er musste sich zusammenreißen. Als er vor ein paar Stunden die Treppe heruntergekommen war, hatte er das Gefühl gehabt, jemand hätte tief in seinem Kopf gekramt und das unwiderstehlichste Bild herausgezogen, das er sich nur vorstellen konnte. Er hatte nicht einmal gewusst, dass diese Fantasie existiert hatte, aber sie drückte zielsicher die richtigen Knöpfe und brachte sein Blut in Wallung.
Das Esszimmer der Lakes im Kerzenlicht und Caroline, wie sie dastand und die letzte Kerze anzündete. Der warme Schimmer, der ihre Haut in zartestes Elfenbein verwandelte. Sie war noch viel schöner als in seinen kühnsten Träumen. Das glänzende rotgoldene Haar hatte sie hochgesteckt, sodass er die lange Kurve ihres weißen Halses bewundern konnte. Sie trug ein elegantes schwarzes Kleid, das scheinbar speziell dafür gemacht worden war, ihre schmale Taille und ihre blassen Schultern hervorzuheben. Jack hätte nie gewagt, auch nur davon zu träumen, dass er eines Tages zusammen mit Caroline in Greenbriars sein und sie mit einem Lächeln auf ihn warten würde. Und doch war er jetzt hier, und sie war hier.
Und als sie ihn ins Wohnzimmer gebeten hatte – oh Gott. Es war, als ob sich ein prächtiges Glücksrad zu seinen Gunsten gedreht hätte. In den ersten achtzehn Jahren seines Lebens war das Schicksal unglaublich brutal mit ihm umgesprungen. Der Tiefpunkt war erreicht, als er auf der anderen Seite dieses Fensters gestanden hatte, das sich gleich hinter Caroline befand, er konnte es fast berühren.
Er war ein halb verhungerter, obdachloser Junge gewesen, halb Mensch, halb Tier. In Lumpen gekleidet hatte er gierig auf ein Leben gestarrt, das er nicht mal ansatzweise verstehen konnte. Es war nicht einmal vorstellbar gewesen, dass er sich auf demselben Planeten befand wie diese entrückten Wesen, die er durch die Fensterscheibe beobachtet hatte, während er zitternd im Schnee stand. Was für wunderschöne Menschen in einem wunderschönen Raum.
Und dann hatte sich das Glücksrad gedreht. Der Colonel hatte ihn gefunden, adoptiert und ihm alles gegeben, wonach seine hungernde Seele sich gesehnt hatte: Liebe, Disziplin, eine Aufgabe. Er, der mittellose Junge, war am Ende sogar noch ein reicher Mann geworden.
Nun hatte sich das Glücksrad noch einmal gedreht, großmütig, und ihn auf direktem Weg in das Land seiner Träume befördert.
Jetzt befand er sich auf der anderen Seite des Fensters. Er war nicht länger der Bettler, der sich die Nase an der Scheibe platt drückte, sondern der Mann, der sich mit Caroline in ebenjenem Zimmer befand.
Behutsam, aber achtsam, dass er nichts als den bekleideten Ellbogen berührte, zog er sie zu sich hin. Er selbst wagte es nicht, sich zu rühren. Er fühlte sich wie eine riesige Stange C4, die schon mit einer Zündkapsel versehen war. Eine falsche Bewegung und er würde explodieren.
Nein, sie musste zu ihm kommen. Und das tat sie auch. Sie gehorchte seiner Berührung und beobachtete ihn vorsichtig aus großen, unruhigen Augen. Sie trat vor, bis ihre Füße zwischen den seinen standen und ihre Brustspitzen seine Brust berührten.
Jack hatte keine Ahnung, was sie gerade dachte. Sie wirkte nicht so, als ob sie sich vor Verlangen nach ihm verzehrte. Wenn überhaupt, dann wirkte sie traurig und verloren. Es musste etwas geschehen, damit sich das änderte, denn das war es nicht, was er von ihr im Bett wollte.
Langsam, vorsichtig, beugte er sich zu ihr hinab und berührte ihre Lippen mit seinen. Ihr Mund war kalt. Sie glich einer wunderschönen Marmorstatue. Er hob den Kopf wieder, ließ seinen
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