Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
war, hatte er öfter darüber nachgedacht, wie es wäre, wieder mit Caroline zusammenzukommen, auch wenn sie kein Geld hatte.
Caroline hatte jede Menge Vorteile. Sie war schön, kultiviert und man konnte sie überallhin mitnehmen. Da Sanders’ Anwaltskanzlei wuchs und gedieh, wünschte er sich oft, Caroline an seiner Seite zu haben, wenn er sich mit wichtigen Klienten unterhielt. Sie hatte eine Art, mit Menschen umzugehen, die man schon magisch nennen konnte und die hoffentlich auf ihn abfärben würde. Die wenigen Male, die er sie überredet hatte, ihn zu einem wichtigen Ereignis zu begleiten, hatte er gleich davon profitiert.
Aber sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass ihre Loyalität an erster, zweiter und dritter Stelle Toby galt und dass Sanders bei ihr erst einen erbärmlichen vierten Platz belegte.
Inakzeptabel.
Es empörte ihn immer wieder – dass sie einen jämmerlichen, sich vor Schmerzen windenden Krüppel ihm und dem Leben, das er ihr hätte bieten können, vorgezogen hatte.
Er wusste wohl, dass sie zu kämpfen hatte, aber das war schließlich ihr eigener Fehler. Wenn sie darauf bestand, an dieser alten Bruchbude festzuhalten, die praktisch über ihr zusammenbrach, und einfach nicht bereit war, auf die Stimme der Vernunft zu hören, ganz egal, wie oft er ihr schon geraten hatte zu verkaufen …
Sanders hatte Greenbriars heimlich schätzen lassen, und zu seinem Erstaunen mochte es zwar baufällig und marode sein, es war aber immerhin über eine Million Dollar wert. Das hatte irgendwas mit dem Entwurf zu tun. Aber trotzdem: ein Grund mehr, es zu verkaufen. Es war mindestens schon siebzig Jahre alt. Sie war auf dem besten Weg zu verarmen, wenn auch in einer noblen Umgebung. Sie bewegte sich geradewegs auf den Ruin zu, und er hätte ihr den Arsch retten und das Leben bieten können, das sie gewohnt war, aber nein, sie hatte die Nase gerümpft und es vorgezogen, bei ihrem verkrüppelten Bruder zu bleiben.
Er verstand es immer noch nicht.
Sie hätte doch nur das verdammte Haus verkaufen und Toby in ein Heim stecken müssen, wo er auch hingehörte, damit er anderen Leuten nicht mehr mit seinem Anblick den Tag verdarb. Dann wären sie beide zusammengekommen – wieder zusammengekommen, denn er ließ sie nie vergessen, dass sie ihre Unschuld an ihn verloren hatte –, und all ihre Sorgen wären vorbei gewesen. Das hatte er ihr so deutlich wie nur möglich zu verstehen gegeben.
Na ja, Toby war ja jetzt Gott sei Dank tot. Damit war wenigstens dieser Belastung ihrer Finanzen ein Ende gesetzt, vom Ekelfaktor gar nicht zu reden. Selbst jetzt noch reichte die Erinnerung an Toby aus, wie er zusammengesunken in seinem Rollstuhl saß, das Gesicht so vernarbt, dass er wie Freddie Krueger aussah, mit diesen Händen, die sich langsam zu Klauen verformten, damit ihm schlecht wurde.
Sanders erinnerte sich noch deutlich an das letzte Mal, als er und Caroline sich getroffen hatten. Er hatte sie zu Chez Max ausgeführt, drüben in Bedford. Es hatte ihn hundert Mäuse pro Kopf gekostet, aber es war jeden Cent wert gewesen. Caroline hatte an diesem Abend ganz besonders hübsch ausgesehen in ihrem schwarzen Versace-Kleid. Sanders hatte keine Ahnung, wie sie sich Versace leisten konnte, aber genauso war es. Und es sah unglaublich an ihr aus. Alle drehten sich nach ihr um.
Und dazu hatten sie sich richtig gut verstanden. Sanders konnte merken, wie sehr sie die elegante Umgebung und das ausgezeichnete Essen genoss. Er hatte eine Zweihundert-Dollar-Flasche Châteauneuf du Pape bestellt, die sie gemeinsam getrunken hatten. Caroline war entspannt und so atemberaubend, dass er kaum die Augen von ihr lassen konnte.
Dort gehörte eine Frau wie sie hin – und an den Arm eines Mannes wie ihm.
Sie hatte sich geweigert, danach noch mit zu ihm nach Hause zu kommen, also hatte er sie nach Greenbriars gebracht und ihre Einladung auf einen Schlummertrunk akzeptiert.
Ihr gruseliger Bruder war noch wach gewesen und hatte im Wohnzimmer ferngesehen. Caroline hatte Sanders einen Drink eingegossen und ihrem Bruder, mit dem sie sanft redete, ein Glas Milch. Sie hatte ihm das Glas an den Mund halten müssen und selbst dann hatte er noch die Hälfte auf seinen Schlafanzug gekleckert. Er sprach schrecklich undeutlich – sein Mund bestand zur Hälfte nur noch aus Narbengewebe –, und Caroline hatte geduldig abgewartet, bis er zu Ende geredet hatte, was auch immer für einen Quatsch er da von sich geben mochte. Danach hatte sie ihre
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