Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
Spuren zu verwischen. Er hatte eine deutliche Fährte hinterlassen, was bedeutete, dass er nicht wusste, dass Deaver hinter ihm her war.
Wenn Jack gewollt hätte, dass niemand ihn fand, hätte Deaver suchen können, bis er schwarz wurde. Aber Jack schien keine Verfolger zu erwarten. Perfekt. Überraschungsangriffe funktionierten am besten.
Also, dachte Deaver und beugte sich dichter an den Bildschirm heran, auf dem eine detaillierte Karte des Staates Washington zu sehen war, wo bist du? Bist du vielleicht hoch nach Kanada gegangen? Seine Augen wanderten zum oberen Rand des Bildschirms, der ungefähr hundert Meilen nördlich von Vancouver endete. Er dachte darüber nach, betrachtete seine Idee aus verschiedenen Winkeln.
Nee. Er hatte einen gültigen Pass und war nicht auf der Flucht. Wenn er tatsächlich nach Kanada gewollt hätte, wäre er ohne Umwege dorthin geflogen.
Nein, alles deutete darauf hin, dass Prescott ein Mann mit einer Mission war und sich auf direktem Weg an sein Ziel begeben hatte. Sobald es ihm möglich gewesen war, hatte er seinen ganzen Besitz zu Geld gemacht und war aufgebrochen, geradewegs zu …
Zu diesem Mädchen. Inzwischen wohl eine Frau. Finde sie und du findest Prescott. Da war sich Deaver sicher.
Noch einmal legte Deaver die beiden fotokopierten Fotos vor sich auf den Tisch und studierte sie, diesmal etwas aufmerksamer. Sie mussten ihm einfach verraten, wo Prescott war, und zwar schleunigst.
Es lag absolut im Bereich des Möglichen, dass Prescott eine verheiratete Frau mit sechs Kindern vorfinden würde, die in den vergangenen Jahren fünfzig Pfund zugenommen hatte, der Haare und Zähne ausgefallen waren und die sich nicht mal mehr an ihn erinnerte.
Wenn das der Fall war, würde Prescott verschwinden und Deaver würde weder ihn noch seine Diamanten jemals wiederfinden.
Also studierte er die Fotos, so wie Soldaten vor dem Kampf eine Geländekarte studierten – gründlich und aufmerksam, denn alles hing davon ab, wie gut man vorbereitet war.
Das Foto musste spätestens aus dem Jahr 1995 stammen, denn Prescott hatte mit keiner Frau eine spezielle Verbindung gehabt, seit der Colonel ihn gefunden hatte. Also musste diese Besessenheit sich auf jemanden beziehen, den er 1995 oder früher gekannt hatte. Das Datum auf dem Zeitungsausschnitt war der 15. Oktober 1995, also stammte das Foto vielleicht aus dieser Zeit.
Er musterte das Highschool-Foto. Gestellt, wie alle diese Bilder. Deaver selbst besaß allerdings keines. Sein alter Herr wollte dafür kein Geld lockermachen, aber er erinnerte sich, wie es bei allen anderen aus seinem Jahrgang gewesen war. Für die meisten von ihnen war es das erste formelle Porträt gewesen, und sie grinsten gekünstelt – na ja, zumindest die, deren Zähne gut genug waren. Die Mädchen hatten sich das Make-up mit dem Spachtel aufgelegt und die Jungen hatten richtige Hemden statt T-Shirts getragen, manche zum ersten Mal in ihrem Leben.
Das Lächeln dieses Mädchens war ganz natürlich, nicht aufgesetzt. Vielleicht war sie daran gewöhnt, fotografiert zu werden. Sie sah aus wie eine Million andere hübsche Teenager. Obwohl … sie war schon hübscher als die meisten anderen. Langes rotblondes Haar mit leichten Wellen. Gerade, gleichmäßige weiße Zähne. Eine Art rosafarbener Pulli mit einer Perlenkette. Kein Hinweis darauf, wie ihr Körper aussehen könnte, allerdings hinterließ das Bild den Eindruck, dass sie eher schlank war.
Danach konzentrierte sich Deaver auf das Foto, auf dem sie Klavier spielte, gekleidet in einen Pulli und einen langen Rock, die einen tollen Körper betonten. Ihr Gesicht war hier jedoch nur im Profil zu sehen.
Er sah sich noch einmal die Überreste des Namens der Zeitung an: …ville Gazette .
Immerhin hatte er ja einen Staat, mit dem er anfangen konnte – Washington. Warum sollte Deaver nach Seattle fliegen, wenn das, was er wollte, sich nicht in Washington befand?
Deaver rief eine Liste sämtlicher Städte im Staat Washington auf: siebzehn Großstädte und zweiundneunzig Kleinstädte. Vier davon endeten auf -ville. Allerdings gab es in keiner eine Zeitung, die Gazette hieß.
Deaver lehnte sich zurück und grübelte.
Vielleicht waren diese ganzen Überlegungen ja vollkommen umsonst. Vielleicht war er auf dem Holzweg. Caroline Lake war ein hübsches Mädchen gewesen. Wenn aus ihr eine schöne Frau geworden war, war sie inzwischen längst verheiratet. Verdammt – vielleicht sogar schon zum zweiten oder dritten Mal, und
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