Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Angelegenheit und er sah dem Diener an, wie wenig begeistert der von dem Gedanken war, zu dieser Zeit einheizen zu müssen und Kannen zu schleppen. Schlussendlich fügte er sich und begann mit der Arbeit.
St. John saugte jeden winzigen Laut begierig ein. Konzentrierte sich auf jede Bewegung im Nebenraum. Alles, alles – nur nicht mehr an O’Malley denken. Da es im Bad hell war, schaute St. John auf seine Uhr. Halb sechs … Was O’Malley wohl gerade tat? Wahrscheinlich saß er in irgendeinem Pub. Oder er … Plötzlich stand ein Bild vor seinem inneren Auge: O’Malley im Bett mit einer Frau! Er kniete über ihr. Die Schenkel der Frau waren weit gespreizt und der Bandit stieß in gleichmäßigem Rhythmus in sie hinein. St. John sah den langen Rücken und den festen Hintern, an dessen Seiten sich kleine Kuhlen bildeten, jedes Mal, wenn er seine Lendenmuskeln anspannte.
Schluss. Aus. Er musste aufstehen. O’Malley war ein Verbrecher. Selbst wenn er nicht der Killer war. Wie konnte es sein, dass dieser Kerl Gefühle in ihm weckte, wie es nur eine Frau durfte? Wieso hätte er alle noch so vollen weiblichen Brüste hergegeben für seinen harten, männlichen Torso? Die sanft geschwungenen Schenkel jeder Frau drangegeben für die straffen, muskulösen Beine dieses Mannes? St. John wartete nicht auf den Diener, sondern zog sein durchgeschwitztes Nachthemd aus und ließ es zu Boden gleiten. Dann betrat er das Bad. Es duftete nach dem herben Badezusatz, der in der Küche zubereitet wurde und den man in das heiße Badewasser gegossen hatte.
„Ist alles fertig?“
Der Diener nickte und St. John stieg in das dampfend heiße Wasser. Eigentlich hatte er sich von dem Bad Ablenkung versprochen, stattdessen schienen seine Gedanken und Empfindungen noch intensiver zu werden. Es schien nur noch O’Malleys alles vereinnahmende Präsenz zu geben. Was, wenn er der Killer war und die Gefühle, die er für ihn hegte, seine Sicht versperrten? Walker und viele andere hatten ihm eine Chance gegeben. Aber noch mehr Leute beäugten ihn mit größtem Misstrauen, fürchteten – vielleicht nicht zu unrecht – dass die ungeheuer wichtige Polizeiarbeit als Spielplatz für einen gelangweilten Adligen missbraucht werde. Und dann war da nicht zuletzt seine Zufriedenheit im Dienst. Er genoss das Gefühl, Erfolg zu haben. Etwas zu leisten und nicht nur vom Ruhm der Ahnen und des Namens zu profitieren. Ja, sich zu beweisen. Und die Festnahme des Killers würde ihn für alle Zeiten unangreifbar machen.
Wollte er dies alles allen Ernstes für einen, zugegebenermaßen attraktiven, Verbrecher aufs Spiel setzen?
Die Liste auf seinem Schreibtisch sah folgendermaßen aus:
Martha Tabram – 7. August 1888 – Gunthorpe Street
Mary Ann Nichols – 31. August 1888 – Buck’s Row
Annie Chapman – 8. September 1888 – Hanbury Street
Elizabeth Stride – 30. September 1888 – Dutfield’s Yard, Burner Street
Catherine Eddowes – 30. September 1888 – Mitre Square
Dann folgte eine Liste mit Zeugen und den Tatverdächtigen, die man um die Tatorte herum gesehen hatte.
St. Johns Augen brannten. Er rieb sie wieder und wieder. So oft, wie er seine Listen bereits gelesen hatte. Wenn er O’Malley etwas beweisen wollte, musste er dessen Alibis abklopfen. Das war die einzige Stelle, an der er ihn kriegen konnte. Und auch dies würde sich schwierig gestalten. Selbstverständlich würde ihm für jede Tat einer seiner Männer oder eine seiner Huren ein Alibi geben. Wirklich gesehen hatte ihn nur dieser Digby – und ob ein Mann, der Pferdemist auf der Straße sammelte, einen Untersuchungsrichter würde überzeugen können, wenn O’Malley mit geballter Streitmacht auftauchte, war mehr als fraglich.
Dennoch – ihm blieb keine Wahl. Er faltete die Liste sorgfältig zusammen und machte sich auf den Weg. Allerdings kam er nicht weit. Noch vor dem Paternoster erwischte ihn Walker. Selten hatte St. John ihn dermaßen erregt gesehen.
„St. John! So warten Sie doch …“ Er war außer Atem und blieb heftig schnaufend neben ihm stehen. „Der Mörder von Whitechapel hat einen Brief geschrieben!“
Wenn St. John mit allem gerechnet hätte – damit nicht. Beinahe erschüttert starrte er seinen Vorgesetzten an. „Er hat … was?“
„Kommen Sie … kommen Sie!“ Walker zerrte ihn mit sich. „Er wurde an die Central News Agency geschrieben. Sie haben ihn gerade hergebracht. Alle sind unten versammelt und studieren ihn.“
Der größte Raum im Haus war
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