Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
„Warum lehnen Sie die Hilfe eines Arztes ab?“
Seine Augen flogen über ihr Gesicht. Blitzschnell. Als müsse er einen fürchterlichen Kampf mit sich selbst ausfechten.
„Warum? Weil Ärzte die dumme Angewohnheit haben, Geld für ihre Dienste zu verlangen!“ Er sagte es, sein Gesicht dicht an das ihre herangeschoben. So dicht, dass Elizabeth die Regentropfen beobachten konnte, die sich an seinen Wimpern festhielten.
„Und sie haben keines!“, vervollständigte sie seine Worte.
Jeffrey schien sich förmlich von ihr abzustoßen.
„Gut. Das macht nichts. Ich nehme sie mit zu unserem Hausarzt. Der wird sie behandeln und es soll sie keinen Shilling kosten! Aber diese Wunde hier wird sich entzünden. Sie muss ordentlich behandelt werden.“
Er presste die Lippen aufeinander und in seiner Hand schien es zu zucken. Dann flog er förmlich herum und rannte den Gehweg hinunter. Elizabeth, die wilde Jagd wieder aufnehmend – hinter ihm her.
„Verdammt, Jeffrey! Was soll dieser Unfug?“, war alles, was ihr einfiel, als sie atemlos stehen bleiben musste. Solche Ausdrücke verwendete sie nicht allzu häufig.
Er blieb abrupt stehen, drehte sich um, packte ihre Arme und stieß ihr voller Abscheu entgegen: „Ich will ihre gottverdammten Almosen nicht. Eher verrecke ich!“ Im gleichen Moment packte er sie und presste seine Lippen auf die ihren.
Elizabeths Knie gaben nach. Sie sackte nieder. Hätte Jeffrey sie nicht gehalten, sie wäre gestürzt. Sein Kuss war intensiv, fordernd, dass alles Denken aussetzte. Ihr Körper füllte sich mit sengender Glut und wandelte sich in etwas, das nur noch für seine Berührung, seinen Atem, seinen Duft, seine Stimme zu existieren schien.
Elizabeth öffnete ihre Lippen und ließ geschehen, was sie noch nie einem anderen Mann offeriert hatte. Seine Zunge bewegte sich beinahe unsicher in ihren Mund und erst, als sie sich ihm entgegenbäumte, ließ er alle Hemmungen fallen und küsste sie mit einer ungestümen Intensität, die Elizabeth packte und emporzuschleudern schien.
Sie bewegte den Kopf, strich mit ihren Händen über seinen Arm, seinen Rücken. Drängte sich gegen ihn und erfüllte nur das unendliche Sehnen ihres Köpers, sich mit dem seinen zu vereinen. In irgendeinem weit abgelegenen Teil ihres Verstandes realisierte sie, dass sich ihre empfindsamen Spitzen verhärteten. Ebenso wie sie spürte, dass das Blut zwischen ihren Schenkeln zusammenzu-strömen begann und sie in einer Art sensibilisierte, die sie nie für möglich gehalten hätte.
Jeffrey löste sich von ihr, um für einen Moment Luft zu holen. Dann gab er sich wieder der Zärtlichkeit hin, die in ihrer Art perfekt zu seiner rauen, ungehobelten Art passte.
Elizabeth begehrte ihn. So tief, so allumfassend wie nie einen anderen zuvor. Sie hatte ihn gefunden: ihren Rohdiamanten!
Der Tag war trüb und der Regen fiel Stunde um Stunde. Zum Leidwesen der Hausfrauen wusch er Ruß und Kohlestaub nicht von den Fenstern ab, sondern formte eine abstoßende schwärzliche Schmierschicht auf allen Dingen, die sich im Freien befanden.
St. John saß am Sekretär seiner Mutter und schrieb an alte Freunde aus Oxford. Er hatte es plötzlich für eine ebenso gute wie wichtige Idee gehalten, seine alten Kontakte aufleben zu lassen. Und so schrieb er Brief um Brief, siegelte die Umschläge und gab sie einem Diener, damit er sie besorgen könne.
Lizzy hatte sich nach einer Weile zu ihm gesellt, ihre Stiefel ausgezogen und begonnen, auf der Couch sitzend ihre Füße zu massieren.
„Oh, Himmel. Was für ein Tag. Ich kriege noch dicke Beine vom endlosen Stehen in der Suppenküche.“
„Wieso machst du das auch? Wem nützt es schon?“, erwiderte er gelangweilt.
„Wem es nützt? Machst du Witze? Hast du die Schlangen gesehen, die sich Tag für Tag bei uns anstellen für eine Schale Eintopf und ein Stück Brot? Gerade heute Morgen ist eine Frau umgefallen vor Hunger. Ohnmächtig geworden.“
„Ach, Lizzy … Als würdet ihr das Los der Armen mit eurer Suppenküche wenden.“
Seine Schwester ließ ihren Fuß los und sah ihn empört an.
„Ja. Natürlich. Aber ihr … Am besten jeden gleich aufhängen. Dann ist Ruhe. Wie der Killer. Ja, genau so.“
St. John drehte sich um. Er liebte seine Schwester, wenn sie in Harnisch geriet. Ihre Augen glänzten, ihr Teint schimmerte wie Perlmutt und ihre Wangen wurden von einem rötlichen Hauch überzogen. Dennoch konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass hinter ihrem Engagement
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