Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
er hergekommen. Ruhelos. Scheinbar ziellos war er mal hierhin, mal dorthin gewandert. Bis er vor der Räuberhöhle stehen geblieben war. Es hatte geregnet und er hatte seinen Schirm aufgespannt. Es war kalt geworden und er hatte seinen Kragen hochgeschlagen. Nutten waren an ihm vorbeigekommen und Tagelöhner. Matrosen, Marktfrauen und Arbeiter. Er hatte sich auf eine kleine Mauer gesetzt und gewartet. Worauf, wusste er nicht so genau. Vielleicht einfach darauf, dass er den Mut finden würde, durch dieses Tor zu treten, oder dass das Schicksal entscheiden würde, was geschehen solle.
Alles in ihm sehnte sich nach O’Malley. Wenn er die Augen schloss, sah er ihn vor sich. Tauchte in der Menge ein brauner Lockenschopf auf, durchrieselte es heiß seine Adern.
Gegen Morgen begannen die ersten in Richtung der Straßen zu strömen, über die in Kürze die Lord Mayor’s Show dahinziehen würde. Kinder mit Fähnchen, Männer und Frauen in Festtagsstaat.
Bald hörte er in der Ferne die Musik der Lord Mayor’s Show. Doch die anzusehen, danach stand ihm nicht der Sinn.
Leute verließen die Räuberhöhle, betraten sie. Nur Kieran war nicht dabei.
Plötzlich löste sich eine zerlumpt aussehende Gestalt aus dem Schatten eines Baums und kam schräg über die Straße, wobei sie einer Pferdedroschke ausweichen musste.
Es war nicht viel los und man merkte, dass praktisch jeder, der gehen oder stehen konnte, sich auf den Weg zum Umzug gemacht hatte.
„Der Boss will se sprechen …“, knurrte der Mann. Zwischen seinen gelblich-braun verfärbten Zähnen klebte eine zerdrückte Zigarette. Ohne auf eine Reaktion zu warten, wandte er sich ab und ging vor St. John her, wobei er das Kunststück fertigbrachte, auf die Straße zu spucken, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen.
St. John war beunruhigt und gleichzeitig maßlos freudig erregt. Dennoch gab er sich alle Mühe, Haltung zu bewahren und nichts von seiner inneren Aufgewühltheit nach außen dringen zu lassen.
Als sich das mächtige Tor hinter ihm schloss, erstarb die Musik. Wieder fand er sich in der merkwürdigen Parallelstadt, wo das Gesetz der Blind Dogs galt und sonst nichts.
St. John folgte dem Mann. Dieser ging immer weiter. Anstatt nach links einzubiegen, wo er Kieran beim letzten Mal getroffen hatte, hielt er weiter geradeaus. Dann ging er zwischen zwei hölzernen Verkaufsbuden hindurch. St. John hielt die Luft an. Seine Hand wanderte zu der Waffe, die er verborgen im Holster unter seinem Jackett trug. Die Luft frischte auf. Aber noch war es dunkel.
Wenn dies eine Falle war, so war er direkt hineingetappt. Seine Sinne waren augenblicklich auf das Präziseste geschärft. Seine Blicke durchmaßen die Düsternis und er konzentrierte sich auf jede winzige Bewegung um ihn herum. Umso so überraschender war die Tatsache, dass er sich plötzlich mitten in herrlichstem Grün wiederfand.
Bäume, durch deren dichtes Laub die Sonnenstrahlen funkelnd einfielen. Blühende Hortensienbüsche. Dazwischen Margeriten. Ein Garten, der sich, wenn auch viel kleiner, so doch mit jenem messen konnte, den seine Familie in Warwickshire den ihren nannte.
Es gab sogar einen kleinen plätschernden Brunnen, an dem ihn der zerlumpte Bote stehen ließ.
„Es ist schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist.“ Die Stimme kam sanft und höflich aus dem dichten Grün. St. John wurde flau im Magen und seine Knie bebten.
Hätte es sich um eine Geliebte gehandelt, so wäre er zu ihr geeilt und hätte sie in seine Arme gerissen. Da es sich aber um Kieran handelte, der an den Brunnen trat und beinahe verträumt seine Finger mit dem Wasser spielen ließ, blieb er schweigend, wo er war.
„Ich habe dich auf der anderen Straßenseite gesehen.“
St. John schluckte hart. Er roch Kieran. Seinen intensiv männlichen Duft. Betroffen spürte er, wie er hart wurde. So wollte er nicht reagieren. Die letzten Tage hatte er genutzt, seine Sicherheit zurückzugewinnen. Nicht mehr an die gemeinsame Lust zu denken. Kurz: wieder professionell zu denken und zu handeln.
Und dann machte Kieran einen weiteren Schritt auf ihn zu. Der Blick des Bandenchefs oszillierte über sein Gesicht. Tastete es förmlich ab. Allein diese Nähe war eine einzige Provokation. Wie eine Aufforderung zum Kampf begann Kieran, sich gegen St. John zu drängen, wobei ein bösartiges, kleines Lächeln seine Lippen umspielte.
Verunsichert erwiderte St. John den Blick, versuchte, so gut es ging, diesem Stand zu halten, ihm Paroli zu
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