Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Zweifel.“ Plötzlich begann sie, durch den Raum zu gehen und die Luft mit dem Duft zu schwängern, ähnlich einer Priesterin bei einer Tempelzeremonie.
„Wo hast du es her?“
St. John dachte kurz nach. „Ein Freund hat es mir gegeben. Er wollte wissen, ob es als Geschenk für eine Dame tauge.“
Elizabeth schnupperte abermals in die Luft. „Ja. Also ich würde mich freuen, wenn man es mir schenkte. Und was ist es wirklich?“
St. John wandte sich dem knisternden Feuer zu und dachte über die Sätze seiner Schwester nach. Sie würde sich freuen, wenn jemand ihr dieses Parfüm schenkte …
„Ich habe noch nie gehört, dass dich jemand fragt, was er einer Dame schenken soll. Also?“ Mit einem Schwung beförderte sie ihre Schleppe aus dem Weg und setzte sich mit aufrauschenden Röcken auf die Chaiselongue.
Sie trug ein Teekleid in einem Lachston, dessen Front üppig mit Chrysanthemen bestickt war und auf der Rückseite von einer breiten Piemontaisefalte geschmückt wurde. Die über den Schultern hoch aufgestellten Ärmel öffneten sich über den Handgelenken und liefen spitz fast bis zum Rocksaum aus. Es war eine Farbe, die sowohl die helle Haut als auch den Ton ihres vollen Haares auf das Vorteilhafteste unterstrich.
„Es ist – wenn du so willst – ein Geschenk des Rippers an seine Opfer.“
Ihre großen, runden Augen öffneten sich weit vor Entsetzen. Zügig, doch nicht ohne Vorsicht, stellte den Flakon ab.
„Ich frage dich jetzt nicht, woher du dieses Fläschchen hast.“
„Das ist gut.“
Sie betrachtete es mit offensichtlichem Grauen.
„Warum bringst du es her?“
Der Duft von Teerosen und Freesien lag noch im Raum. Doch er hatte seine Natur geändert. Jetzt war er schwer und drückend. Hatte Tod und Angst in den Salon getragen. Und die Geister der Ermordeten.
„Ich wollte wissen, ob dir etwas dazu einfällt. Wo man es kaufen kann. Vielleicht, wer es herstellt.“
Elizabeth schob mit größter Eleganz eine Strähne mit der Innenseite ihrer Hand beiseite.
„Das kommt von einem Parfümeur. Aber woher … das kann ich dir leider auch nicht sagen.“ Sie betrachteten betreten die kleine Flasche.
St. John war enttäuscht, hatte er sich doch von seiner Schwester den großen Durchbruch erhofft. Den Namen eines Geschäfts vielleicht. Einen Hinweis auf die Herkunft der Flasche. Irgendetwas, mit dem er weitermachen konnte.
„Und wie viele von diesen Parfümeuren gibt es in London?“
Seine Schwester warf die Arme in die Luft und rollte ihre Augen.
„Hunderte? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist es sogar importiert … Aus Frankreich … Oder Italien. Da werden die Zahlen endlos.“
„Verdammt!“, knurrte St. John. Damit war auch seine Idee zunichtegemacht, wenn es sein musste, ein ganzes Heer von Polizisten loszuschicken, um London nach dem Hersteller zu durchforsten.
Aber Frankreich und Italien – unmöglich!
Was er noch vor wenigen Augenblicken für den großen Durchbruch gehalten hatte, war zu einem Nichts verkommen.
„Du siehst schrecklich enttäuscht aus …“, sagte Elizabeth mit tiefstem Bedauern in der Stimme. „Ich hätte dir so furchtbar gerne geholfen …“ Sie wandte sich auf der Chaiselongue um, sodass sie seinem unruhigen Gang mit den Augen folgen konnte.
„Ach, du kannst ja nichts dafür. Es ist dieser ganze, verdammte Fall. Alles wird mit jedem Tag schlimmer. Ich habe das Gefühl, als wate ich von einem Pfuhl in den nächsten. Es scheint keinen reinen Ort mehr in dieser verdammten Stadt zu geben. Und es ist einfach so, dass ausgerechnet im East End der ganze Dreck hochkommt. Und die Polizei ist völlig hilflos. Der Ripper macht mit uns, was er will. Die Bürgerwehren, oder wie sie sich auch immer gerade nennen … die Politiker … die Zeitungen. Wir rennen nur hinterher und können nichts ausrichten.“
„Richard. So schlimm es klingen mag … aber vielleicht ist das die Natur deines Berufs. Es hat nie ein Ende. Und selbst wenn du diesen Mörder fängst, liegt schon irgendwo eine neue Leiche, deren Mörder du nicht gefangen hast. Möglicherweise muss man als Polizist damit leben, dass es ein totes Rennen ist, das man läuft. Und man geht trotzdem wieder jedem Tag aufs Neue an den Start. So wie ich jeden Tag aufs Neue in die Suppenküche gehe und doch weiß, dass die Schlange noch ein wenig länger wird. Bei mir gehen die Armen nie aus und bei dir nie die Verbrecher.“
„Na, ihr zwei? Löst ihr gerade die irische Frage?“
War schon Elizabeths Kleid
Weitere Kostenlose Bücher