Gefährlicher Sommer
passiert?«
»Nein. Nichts.«
Kathrin würde er bestimmt nicht in seine Sorgen einweihen. Er fragte sich, ob er nicht sowieso übertrieb. Gut, Pat hatte ihm erzählt, sie seien einem Abenteuer auf der Spur. Das mochte stimmen, aber es war ebenso wahrscheinlich - oder sogar noch wahrscheinlicher -, dass sie sich nur etwas einbildeten. Womöglich würden sie alle später etwas verlegen erklären: »Weißt du, Tom, wir dachten tatsächlich, wir wären da einer Bande von Verbrechern auf die Spur gekommen. Und nachher entpuppten sie sich als völlig harmlose Leute. Wir haben uns ziemlich blamiert!«
So würde es sein. Warum war er dennoch so unruhig? Lag es an Diane? Er hatte noch ihre helle, nervöse Stimme im Ohr, mit der sie ihm genau geschildert hatte, wo sie hingehen würden. Es hatte so ahnungsvoll geklungen.
Quatsch, sagte er zu sich selber. Diane fürchtet sich eben immer ein bisschen mehr als die anderen.
Kathrin betrachtete ihn interessiert. »Tom, du bist ein Langweiler! Worüber grübelst du nach? Draußen ist so schönes Wetter. Deine Mutter hat auch gesagt, wir sollen viel an die frische Luft gehen, nachdem wir jetzt so krank waren!«
»Geh allein. Ich möchte jetzt lesen.« Tom griff demonstrativ nach einem Buch.
Kathrin wartete noch einen Moment, dann drehte sie sich um und knallte beleidigt die Tür hinter sich zu.
Tom stand auf. Vorsichtig blickte er sich um, als er sein Zimmer verließ. Keine Spur mehr von Kathrin. Rasch eilte er hinüber in das Zimmer seiner Mutter. Gott sei Dank, sie war nicht da. In der Hand hielt er einen Zettel, auf dem die Telefonnummer in Teneriffa stand. Eilig wählte er. Tatsächlich kam sofort eine Verbindung zustande, aber in La Laguna ging niemand an den Apparat. Natürlich nicht, war ja auch dumm gewesen, darauf zu hoffen. Fünf Uhr nachmittags, vier Uhr Teneriffa Ortszeit. Da waren die anderen entweder noch gar nicht von ihrem Ausflug zurück, oder sie lagen seelenvergnügt am Strand. Noch brauchte er sich keine Gedanken zu machen.
Er legte den Hörer auf und verließ langsam das Zimmer.
Christopho bereitete das Abendessen für seine Geschwister und seinen Vater vor. Wenn es irgend ging, tat er das jeden
Tag, denn nur selten konnte sich sein Vater abends noch aufraffen, einen einzigen Handgriff zu erledigen. Er arbeitete in einer Bananera, einer Bananenplantage, und die Tätigkeit war sicher sehr anstrengend, aber seine dauernde Erschöpfung hing eher mit dem vielen Alkohol zusammen, den er trank. Er war so schwermütig geworden seit dem Tod der Mutter, er brauchte den Schnaps einfach, um sich daran festzuhalten. Man konnte ihm diesen Trost nicht wegnehmen.
Die Kleinen hatten sich einen Gazpacho gewünscht, und Christopho hatte die kalte Suppe aus Tomaten und Gurken auch schon vorbereitet. Nun stellte er Schüsseln mit verschiedenen klein geschnittenen Gemüsen und eine mit gerösteten Weißbrotwürfeln auf den Tisch.
»Das ist dann zum Reinbrocken«, sagte er. »Und ihr wisst, ihr fangt erst an, wenn Vater zu Hause ist! Elena, ich verlasse mich darauf, dass du auf die anderen aufpasst. Du bist ja schon fast erwachsen!«
Die elfjährige Elena nickte stolz. Klar schaffte sie das.
Christopho verschwand in seinem Zimmer, um sich rasch umzuziehen. Um halb sechs musste er heute schon in der Disko sein, beim Putzen helfen. Ein blöder Job, aber er brachte ein paar Euros extra. Und im Übrigen freute er sich wahnsinnig auf den Abend. Angie würde kommen. Die hübsche, lustige Angie mit den langen hellblonden Haaren. Die ganze letzte Nacht hatte er wachgelegen und an sie gedacht.
Er zog ein frisches weißes Hemd an, dazu schwarze Jeans. Vor dem Spiegel kämmte er sein dunkles Haar. Er hätte so gern ein gut duftendes Rasierwasser, aber im Augenblick reichte das Geld nicht dafür. Und wenn er etwas übrig hätte, würde er zuerst ein Geschenk für Angie kaufen. Einen schönen spanischen Schmuck. Aber da musste er noch eine ganze Weile sparen.
Brigitte Galicano versuchte von Madrid aus, bei Manuel und den anderen anzurufen, aber natürlich ging niemand an den Apparat. Sie ließ es dreimal ganz durchklingeln.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie zu Felipe. »Wenn sie im Garten wären, müssten sie es doch hören!«
»Sie werden eben nicht im Garten sein. Wahrscheinlich sind sie am Strand oder bei den Pferden.« Felipe seufzte. »Reg dich bitte nicht auf, Brigitte. Das sind ja keine kleinen Kinder. Die sind gut in der Lage, auf sich selbst
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