Gefährlicher Sommer
mitansehen müssen, wie ihre Schwester von den Gangstern mitgenommen wurde. Als Geisel. Um Gottes willen, daran hatte sie nie gedacht, als sie sich so unbändig darauf gefreut hatte, das Verbrechen vom Loro-Parque aufzuklären. Das Geräusch des Autos verklang in der Nacht. Es hatte sich nichts geändert. Sie saßen wieder in dem dunklen Zimmer, nur dass eine von ihnen fehlte. Dafür war ein Hund hinzugekommen, der Pat vor Glück fast auffraß.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Christopho die Polizisten dazu bewogen hatte, ihn zu begleiten. Am Anfang hatten sie nur theatralisch geseufzt, als er plötzlich aufkreuzte - kurz nach Mitternacht, zerzaust und abgehetzt. Es saßen zwei Beamte in der Wachstube, beide waren sie bei der missglückten Aktion am Nachmittag dabei gewesen.
»Nicht schon wieder!«, stöhnte der eine. »Das ist ja nicht zum Aushalten! Erst telefoniert diese Frau aus Madrid stundenlang mit uns, dann taucht unser junger Sherlock Holmes wieder auf! Solltest du nicht um diese Zeit längst im Bett liegen, Kleiner?«
Christopho hatte den Spott hingenommen, war aber dann wütend geworden, als er merkte, ihm wurde kein Glauben geschenkt.
»Wenn Sie jetzt nichts tun, werden Sie es bereuen! Ich kann meine Freunde zur Not auch selbst befreien, aber Sie werden verdammt viel Ärger mit deren Eltern bekommen. Heute Nachmittag hatte ich mich geirrt - irgendetwas in der Beschreibung des Weges hatte nicht gestimmt, aber eines ist auf jeden Fall wahr: Meine Freunde sitzen auf einem einsamen Gehöft, sie sind dort eingesperrt, und die Männer, die das getan haben, sind dieselben, die die Papageien aus dem Loro-Parque gestohlen haben. Sie sind unterwegs, um mitsamt ihrer Beute zu entwischen, und Sie sollten besser versuchen, sie daran zu hindern, anstatt hier herumzusitzen und mich wie einen dummen Jungen zu behandeln!«
Er hätte möglicherweise die ganze Nacht mit ihnen debattiert. Aber in genau diesem Moment kam ein Funkspruch durch, in dem den Beamten mitgeteilt wurde, ein Patrouillenboot habe durch Zufall eine Hand voll Männer bemerkt, die in der Gegend von Tanganana dabei gewesen waren, Kisten in ein Boot zu verladen. Von dem Polizeiboot aus mit einem Megafon aufgefordert, stehen zu bleiben und sich auszuweisen, hätten sie mit einem Kombiwagen die Flucht ergriffen. Das Schiff, das draußen auf dem Meer offenbar auf die Männer gewartet hatte, sei inzwischen durchsucht worden. Man habe Elfenbein, Krokodilleder und Wildkatzenfelle sichergestellt.
Diese Auskunft reichte. Die Polizisten in der Wachstube sprangen auf. »Okay, Kleiner, führ uns zu diesem Haus!«
Hätten sie sich nicht so lange geziert, sie hätten Carlo und die anderen womöglich noch beim Haus gestellt. Aber so kamen sie an, als die Verbrecher mit ihrer Gefangenen bereits zwanzig Minuten Vorsprung hatten.
Durch die Tür schrie Manuel den Beamten alle Informationen zu, und fünf der Polizisten stürzten sofort in ihre Autos und nahmen die Verfolgung auf. Eine Nachricht hatte sie besonders zur Eile angetrieben: Der Name »Carlo« war gefallen. Und wenn es sich tatsächlich um den Carlo handelte, dann würden sie einen ganz dicken Fisch an die Angel bekommen. Carlo wurde international gesucht. Bei der endlos langen Liste von Straftaten, die ihm zur Last gelegt wurden, konnte er mit mindestens zwanzig Jahren Gefängnis rechnen. Wenn es der Carlo war ... Der Chef der Truppe sah sich im Geiste schon befördert.
Es erwies sich als außerordentlich schwierig, die Tür aufzubrechen. Christopho hätte es nie im Leben allein schaffen können. Aber endlich splitterte das Holz um das Schlüsselloch herum. Die Tür sprang auf. Die Gefangenen drängten heraus.
In den ersten Momenten herrschte vollkommenes Durcheinander. Angie und Christopho umarmten einander. Tobi sprang bellend im Kreis herum. Pat fiel einem Polizisten um den Hals.
Dann sagte der Einsatzleiter: »Wir müssen ein Protokoll von den Geschehnissen aufnehmen. Die Spurensicherung bleibt hier, wir fahren zur Wache zurück.«
Auf einmal war alles ganz still. Manuel übersetzte, was gesprochen worden war. Angie bat ihn, nach Diane zu fragen. Aber der Einsatzleiter schüttelte nur den Kopf. Nein, es gab noch keine Nachricht von Diane. Seine Leute hatten den flüchtenden Kombi noch nicht gesichtet.
Frustriert und traurig traten die Freunde den Rückweg an. Sie hatten sich so darauf gefreut, so darum gebangt, aus ihrem Verlies befreit zu werden, und nun war alles noch viel schrecklicher als
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