Gefährlicher Verführer
einige Zeit
in der Erde«, erinnerte sich Desari.
»Ich versetzte ihn in
Schlaf, um Sterbliche und Unsterbliche vor ihm zu schützen. Er war so außer
sich vor Schmerz, dass wir nichts anderes tun konnten. Syndil brauchte Zeit, um
mit der schrecklichen Erfahrung fertig zu werden, damit Barack ihren Schmerz
ertragen konnte.«
»Deshalb war er in letzter
Zeit also so still, so anders als sonst.« Desari gab Julian einen sanften Stoß.
»Warum hat er so lange damit gewartet, sie an sieh zu binden?«
Julian zuckte mit einer
geschmeidigen Bewegung die Schultern. »Es ist schon lange her, dass es Frauen
unseres Volkes gab, die in der Nähe ihrer Gefährten lebten. Ich kenne keinen
einzigen Fall, also kann ich es dir nicht erklären. Vielleicht kann ein Mann
viele Jahre in Freiheit leben, wenn seine Gefährtin in der Nähe ist.«
»Freiheit?« Desari warf ihm
einen zornigen Blick zu. »Erzähle mir nichts von der Freiheit eines Mannes,
mein Gefährte. Du hast mir meine Freiheit genommen, wie Barack gerade eben
Syndils gestohlen hat.«
Tempest, die der
Unterhaltung fasziniert gelauscht hatte, regte sich. »Aber sie kann doch
ablehnen, oder nicht? Schließlich leben wir nicht mehr in der Steinzeit. Die
Männer können Frauen gewiss nicht ohne ihr Einverständnis an sich binden,
oder?«
»Wenn ein karpatianischer
Mann die Worte des Rituals spricht, ist seine Gefährtin für immer mit ihm
verbunden. Das ist unausweichlich«, gab Julian leise zu.
»Warum?«, hakte Tempest nach
und wandte sich Darius zu, um ihn vorwurfsvoll anzublicken.
Doch er zuckte weder
zusammen, noch sah er besonders schuldbewusst aus. Er antwortete Tempest auch
nicht, sondern besaß die Frechheit, amüsiert zu lächeln.
»Die Gefährtin eines
karpatianischen Mannes ist die fehlende Hälfte seiner Seele. Mit dem Ritual
fügt er die Seelenhälften wieder zusammen. Dann kann der eine nicht mehr ohne
den anderen existieren. Es ist sehr...«, Julian suchte nach dem richtigen Wort,
»... unangenehm, wenn sich Gefährten voneinander trennen müssen.«
»Und der Mann kann einfach
beschließen, die Frau an sich zu binden, ohne dass sie ihr Einverständnis
gibt?« Tempest war empört. Zwar wusste sie nicht genau, ob sie Julian glauben
sollte, doch wenn er die Wahrheit sagte, handelte es sich um ein vorsintflutliches
System. Völlig barbarisch.
Darius legte ihr den
gesunden Arm um die Schultern. »Es ist nur praktisch, Kleines. Frauen wissen
schließlich sehr selten, was sie wollen. Doch auch eine karpatianische Frau
kann sich der Sehnsucht nach ihrem Gefährten nicht entziehen. Er ist auch ihre
zweite Hälfte, verstehst du?«
Ohne an seine Verletzung zu
denken, stieß Tempest ihn von sich. Aber Darius rührte sich nicht. Sie wusste,
dass er sie neckte, obwohl seine Miene nichts davon verriet. »Ich glaube nicht
daran. Außerdem bin ich keine Karpatianerin, also kann es bei mir nicht
funktionieren. Und ich werde auch mit Syndil über diesen Unsinn sprechen.«
Darius gab ihr einen Kuss
auf den Hals. Es war keine flüchtige Liebkosung, sondern er ließ seine Lippen
lange Zeit auf ihrer Haut ruhen, bis Tempest wieder die vertraute Wärme in sich
spürte. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich dachte, wir hätten uns
darauf verständigt, diese Dinge zu unterlassen. Haben wir nicht noch vor kurzem
darüber gesprochen?«
Spielerisch ließ Darius
seine Zähne über ihr Schlüsselbein streichen, während er mit dem Kinn den
Ausschnitt ihres T-Shirts beiseiteschob, um ihre bloße Haut zu berühren. »So?
Ich kann mich gar nicht daran erinnern.«
»Sonst ist dein
Erinnerungsvermögen doch sehr gut.« Tempest bemühte sich, ungerührt und streng
zu klingen, aber es fiel ihr schwer, denn es gelang Darius, ihr Verlangen nach
ihm zu wecken. »Darius, du bist verletzt. Benimm dich gefälligst entsprechend.
Wir brauchen Sanitäter, Krankenwagen und Schmerzmittel.«
Geschmeidig wie eine
Raubkatze, gestärkt durch das alte karpatianische Blut, das in seinen Adern
floss, führte Darius Tempest zum Badezimmer, den Arm noch immer um ihre Taille
gelegt. »Ich muss den Gestank des Todes von mir abwaschen, Tempest, ehe ich
dich in meinen Armen halten kann.«
Seine Worte klangen wie ein
unerwartetes Geständnis. Tempest suchte die telepathische Verbindung zu ihm und
staunte darüber, wie mühelos es ihr inzwischen gelang. Darius empfand Kummer.
Er trauerte nicht um die Männer, die er im Kampf getötet hatte. Er hatte es für
sein Volk getan. Auch würde er Tempest
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