Gefährliches Begehren
Adonis beschämte?«
Er zog die Brauen zusammen. »Da wäre der Prinzregent.«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »So sehr ich meinen Herrscher auch verehre, so nehme ich doch an, dass er sein gutes Aussehen durch seine Völlerei weitestgehend zerstört hat. Und auch wenn er Euch hinsichtlich seines angenehmen Wesens übertreffen mag, so verliert er doch wiederum Punkte hinsichtlich seines unsteten Charakters.«
Stanton verschlug es schier die Sprache bei der Vorstellung, dass sein durch und durch sprunghafter und kindsköpfiger Herrscher ein angenehmeres Wesen haben könnte als er selbst – aber er zog doch heimliche Freude aus ihren Worten.
Viel zu viel heimliche Freude, wenn man es genau nahm. Umso wichtiger war es, die Unterhaltung auf rein philosophischer Ebene zu belassen. »Dann soll ich also meinen Mitmenschen ihre Unzulänglichkeiten vergeben – obschon die meisten davon durch eigene Hand beigebracht sind, wenn ich das hinzufügen darf – und über schlechtes Urteilsvermögen, Faulheit und laxe Moral hinwegsehen?«
Sie nickte heftig. »Genau.«
»Muss ich auch über Spielsucht, Trunkenheit und erbsengrüne Westen hinwegsehen?«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Vielleicht solltet Ihr das von Fall zu Fall entscheiden.«
»Soll ich auch hinsichtlich nachlässiger Körperpflege und
der Neigung zu furzen und beim Sprechen zu spucken nachsichtig sein?«
Sie musste die Lippen fest aufeinanderpressen, um nicht laut zu lachen, aber das Beben ihrer Schultern verriet sie ohnehin. Sie nickte wieder. »Mh-hm.«
Er verschränkte die Arme und äffte ihre Unnachgiebigkeit nach. »Also schön, einverstanden. Aber beim Kratzen intimer Körperregionen hört es bei mir auf. Zuwiderhandlungen sind unter Todesstrafe verboten.«
»In diesem Punkt kann ich Euch nicht widersprechen.« Sie reichte ihm die Hand. »Einverstanden.«
Ihre Hand fühlte sich in seiner großen sehr zart an, und doch hatte er das Gefühl, als könne er sie kaum festhalten. Sie war wie ein Vogel in seinem Griff; er konnte sie nur schwerlich halten, ohne ihr Schaden zuzufügen.
Ihre Augen waren weit und grün wie der Wald, als sie zu ihm aufschaute. »Wenn Ihr mich so anseht, will ich mit Euch ins Bett«, sagte sie.
Er verschluckte sich. »Was?«
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn ernst. »Allerdings würde ich vorschlagen, wir sollten uns auf eine Nacht beschränken, falls es sich als unangenehm entpuppen sollte.«
»Unangenehm.« Gott, nein, niemals wäre es unangenehm. Zumindest nicht am Anfang. Später mochten sich die Dinge verändern, aber niemals, nie im Leben wäre es »unangenehm«.
Dankenswerterweise wurden sie von lautem Fanfarenschall aus der Halle unterbrochen. Stanton zog Lady Alicia hinter der Pflanze hervor, und beide beobachteten, wie eine stattliche Person mit großem Pomp den Ballsaal betrat.
»Himmel!«, flüsterte Alicia. »Ist das …«
»Oh, ja«, stimmte Stanton grimmig zu. »Der Prinzregent höchstpersönlich ist eingetroffen.«
Prinz George IV. wandte sich von der Begrüßung seines Gastgebers ab und erblickte Stanton an seiner Seite. Er zog die Brauen zusammen.
»Verdammt noch mal, Wyndham! Werde ich Euch denn niemals los? Habt Ihr vor, mir auf die Latrine zu folgen?«
»Ihr benutzt keine Latrine«, wies Stanton ihn sanft zurecht. »Ihr habt Lakaien, die Eure Pisse wegschaffen.« Lakaien mit Adelstitel, um genau zu sein. Es wurde als besondere Ehre angesehen, der Graf des Königlichen Nachttopfes zu sein oder wie auch immer diese Stellung genannt wurde, aber Stanton war zutiefst dankbar dafür, dass er nicht mit irgendjemandes Ausscheidungen in der Gegend herumrennen musste.
George verschränkte die Hände im Rücken und starrte ihn finster an. »Typisch. Ihr nehmt immer alles so wörtlich! Was habt Ihr hier zu suchen?«
»Ich genieße die Gastfreundschaft von Lord Cross. Ich habe meine Geliebte mitgebracht, genau wie Ihr.«
George blinzelte. »Ihr habt eine Geliebte? Mich schüttelt es bei dem Gedanken. Wo ist sie?«
Oje. Vielleicht hätte er George nicht auf Alicia aufmerksam machen sollen. Vollbusig und lebhaft entsprach sie genau dem Typ von Frau, den der Prinzregent bevorzugte. Obschon die derzeitige Geliebte Seiner Hoheit noch recht neu war, so stand der lüsterne George im Ruf, sich manchmal mehr als eine gleichzeitig zu halten. Die Damen beschwerten sich nie.
George wartete. Um nicht mehr königliche Aufmerksamkeit
als nötig zu erregen, gestikulierte Stanton vage in Alicias
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