Gefährliches Begehren
Richtung. »Dort, im grünen Kleid.«
George schaute neugierig ans andere Ende des Saals. »Der reizende Rotschopf mit der erstaunlichen Figur?«
»Äh … ja.«
George musterte Alicia mit anhaltender Anerkennung. »Verdammt, Mann, vielleicht fließt doch Blut durch Eure Adern! Ich hätte das Königreich darauf verwettet, dass es Eiswasser ist.« Sein Blick wanderte zurück zu Stanton. »Das ist also die Frau, die Euch zum Kochen bringt, ja? Soll ich darum ersuchen, dass sie mir vorgestellt wird?«
Stanton ergriff die erste Gelegenheit, Seine Königliche Hoheit abzulenken. »Hoheit, wegen Eurer Anwesenheit hier …« Vielleicht goss er damit Öl ins Feuer, aber alles war gut, solange es nur Georges gierigen Blick von Alicia lenkte. »Da der Feind noch immer nicht gefasst und möglicherweise ganz in der Nähe ist, seid Ihr hier nicht sicher genug.«
Die Warnung erfüllte ihren Zweck. Georges Augen verengten sich. »Ihr denkt, die Vier hätten mich fest an der Kette, aber Ihr überseht etwas. Ihr könnt mir nichts anhaben. Mir die Krone stehlen, wie Ihr es mit meinem Vater gemacht habt? Meine kleine Charlotte ist noch zu jung, aber ich bin mir sicher, dass meine Brüder für sie regieren könnten. Ihr hättet wahrscheinlich sowieso mehr Glück mit einer dieser Marionetten.« Er wandte sich ein wenig ab, um eine Dame in der Nähe zu begrüßen, dann drehte er sich wieder zu Stanton um. »Ich lasse mich nicht an die Kette legen, Wyndham.«
Ein Lakai trat an einen von Georges Gefolgsleuten heran, der dann einer anderen Person mit goldenen Tressen auf der Uniform etwas zuflüsterte. So ging es weiter die Befehlskette
hinauf bis zu jenem Mann, dem erlaubt war, in das königliche Ohr zu flüstern. George lauschte ungeduldig. »Sehr schön«, beschied er den Mann, der die Nachricht des Königs die Befehlskette wieder bis zum Lakai von Lord Cross hinabschickte.
Die Musiker legten eine Pause ein, und aller Augen richteten sich auf das kleine Podium an der Stirnseite des Raums.
Dort stand Lord Cross mit ausgestreckten Händen. »Verehrte Gäste, ich bin stolz darauf, Euch unseren Zeremonienmeister vorstellen zu dürfen, unseren Prinzregenten Prinz George IV. – den Herrscher der Unordnung für diese Woche.«
Aufgeregtes Gemurmel bewegte sich in Wellen durch den Raum. Stanton schloss für einen Moment die Augen. Verdammt! Es lag also nicht nur eine siebentägige Orgie der Fleischeslust und der Völlerei vor ihnen, sondern Cross hatte auch noch den alten Ritus der Saturnalien wiedererweckt – wenn auch ein paar Wochen zu früh.
George bestieg das Podium.
»In der besten antiken heidnischen Tradition der Saturnalien und zur Steigerung unseres eigenen Amüsements benötigen wir einen Herrscher der Unordnung, einen Mann, der die Stimmung der Festlichkeiten bestimmt. Unseren König für eine Woche, dem wir Gehorsam schulden. Einen Mann, der jeden unschicklichen Gedanken, jede skandalöse Tat, jedes lüsterne Zwinkern verkörpert.« Er begleitete diese Worte mit einem eigenen Zwinkern. Die Herren lachten schallend, und die Damen zwinkerten zurück.
Stanton verschränkte die Arme. Er fühlte sich immer weniger wohl in seiner Haut und völlig fehl am Platz. Er sehnte sich nach der Stille seines Hauses oder auch der beengten
Kammer der Vier. Wenn er einen internationalen Zwischenfall aufzuklären hatte, dann fühlte er sich gut und wach und bei hellem Verstand. War er jedoch von lebhaften sozialen Interaktionen umgeben, dann verlangsamte sich sein Denken, und seine Stimme musste gegen eine Welle argwöhnischer Distanziertheit ankämpfen.
Er versuchte, sich zu entspannen und vor allem nicht mehr so finster auszusehen. Es war notwendig, dass er sich der Menge anpasste, und er gab sich wirklich große Mühe. Dennoch rückten die Menschen in seiner Nähe unwillkürlich ein Stückchen von ihm ab.
George faltete die Hände vor seinem Bauch und betrachtete sie alle gnädig. »Ich habe eine Überraschung für Euch, meine Schätzchen.«
Der Prinzregent richtete seinen Blick auf Stanton und lächelte. Es war kein freundliches Lächeln.
»Als Euer Regent«, erklärte George, »verspreche ich Euch, immer für Euer Wohlergehen und Euer Vergnügen zu sorgen. Da das nun gesagt ist, fürchte ich, dass ich nicht fortfahren kann. Ich erkläre hiermit, dass ich auf meinen Thron verzichte.«
Ein Augenblick der schockierten Stille folgte diesen Worten. Stanton trat näher zu George, nur für den Fall, dass der kapriziöse und unglückliche
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