Gefährliches Doppel - Duisburg-Krimi
Stehkalender, einen jungfräulichen Notizblock und einen teuren Kugelschreiber leer. Im Kalender standen keine Termine. Pielkötter zog die Schreib tischschubladen auf, fand aber nichts Interessantes.
Bevor Pielkötter sich das Schlafzimmer vornahm, wandte er sich zum Fenster. Die weißen Gardinen erinnerten ihn an Werbung für Feinwaschmittel. Seltsam für einen Junggesellen. Pielkötter schob die Gardine zur Seite und warf einen Blick hinaus. Nicht schlecht, dachte er zum ersten Mal, seit er die Wohnung betreten hatte. Der Blick über den Deich und den Rhein gefiel ihm. Ein voll beladenes Containerschiff quälte sich gerade flussaufwärts. Aber selbst diese Aussicht hatte sich Heitkämper durch die lange Gardine quasi verbaut. Komischer Kauz.
Anscheinend hatten die Nachbarn Recht, die er vor dem Betreten der Wohnung gesprochen hatte. Leider war dabei nicht viel mehr herausgekommen als diese Beschreibung. Auch wenn alle Parteien andere Worte gewählt hatten, waren sie sich in der Sache äußerst einig gewesen. Zudem hatte keiner der Nachbarn zu dem Unfallopfer näheren Kontakt unterhalten.
»Mit den Fingerabdrücken bin ich hier fertig«, erklärte Jochen Drenck von der Spurensicherung. »Viel Damenbesuch hat der jedenfalls nicht gehabt. Wie es aussieht, hat er das Schlafzimmer immer nur alleine betreten. So halb verwischte Reste sind wahrscheinlich noch von den Möbelpackern.«
Pielkötter bedankte sich.
Nachdem Drenck verschwunden war, lief er nachdenklich ins Schlafzimmer. Auch hier wirkte alles steril und geordnet. Selbst Heitkämpers Socken lagen in Reih und Glied und erinnerten Pielkötter irgendwie an Rekruten. Zudem fiel ihm wieder ein, wie treffend seine Mutter ihn beschrieben hatte. Inzwischen konnte sich Pielkötter gut vorstellen, dass Heitkämper zu einer bestimm ten Zeit immer dieselbe Strecke abfuhr. War ihm diese Berechenbarkeit schließlich zum Verhängnis geworden? Oder war dieser Gedanke einfach zu abwegig?
8
Barnowski parkte den Dienstwagen unter der Rheinbrücke, der einzigen Verbindung zwischen den Stadtteilen Ruhrort und Homberg. Normalerweise kam er gerne nach Ruhrort, zumal er als Kind einige Zeit hier gelebt hatte. Heute jedoch musste Besseres passieren, um seine Laune etwas zu heben. Zweifellos hatte er sich noch nicht von Pielkötters Ankündigung erholt, seinen Urlaub einfach zu verschieben.
Nun, da sein Chef die Ermittlungen leitete, sah er nicht ein, sich bei der Arbeit zu überschlagen. Auch deshalb hatte er beschlossen, sich einen kleinen Spaziergang zu Heitkämpers Domizil zu gönnen, anstatt mit dem Dienstwagen vor die Haustür zu fahren. Zudem dachte er nicht daran, noch einen Blick in Heitkämpers Wohnung zu werfen, wenn Pielkötter ohnehin davon ausging, er selbst habe den besseren Riecher. Dabei hatte sein Chef heute Morgen bei der Durchsuchung nichts gefunden, das in irgend einer Art auf ein Verbrechen schließen ließ. Nur um die Befragung der Nachbarn, die Pielkötter heute Morgen nicht angetroffen hatte, kam er wohl nicht herum.
Während Barnowski darüber grübelte, warum Pielkötter ihn im Büro mit dem Schreibkram zurückgelassen hatte, lief er den Weg zur Brücke hoch, die sich über den Kanal spannte, der einem kleinen Hafenbecken Zugang zum Rhein gewährte. Missmutig blickte Barnowski zu dem Vereinshaus des Ruhrorter Yacht Clubs. Dahinter erkannte er das alte Gebäude des Museums der Deutschen Binnenschifffahrt, das ehemals ein schönes Bad im Jugendstil beherbergt hatte. Ohne sich groß umzusehen wechselte Barnowski zum anderen Brückengeländer. Auf der Mühlenweide direkt am Rhein flackerten unzählige Fähnchen im Wind. Dahinter lagen die Rheinwiesen. Plötzlich hellte sich Barnowskis Miene für einen kurzen Moment auf. Unwillkürlich musste er an seine ersten sexuellen Erfahrungen mit Mädchen denken. Die hatte er am Rhein gemacht, in einer Grillhütte oben auf dem Deich, weiter fluss abwärts.
Sichtlich besser gelaunt verließ Barnowski die Brücke und schlenderte die Deichstraße entlang bis vor das Haus, in dem Heitkämper im Gegensatz zu einigen anderen, die dort zur Miete wohnten, eine zweieinhalb Zimmer große Eigentumswohnung mit Balkon besessen hatte. Vier Nachbarn standen auf Barnowskis Liste. Die anderen hatte Pielkötter selbst befragt, ohne allerdings Entscheidendes erfahren zu haben.
Mehr aus einer Laune heraus beschloss Barnowski, die Parteien von oben nach unten abzuarbeiten. Zuerst klingelte er deshalb bei P. und R. Mühlbach, die
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