Gefährliches Doppel - Duisburg-Krimi
er, dass es dringend einen neuen Anstrich nötig hatte. Auch die Treppe zum Haupteingang hatte zweifellos bessere Tage erlebt.
Mit gemischten Gefühlen lief er die Stufen hoch und drückte gegen die wuchtige Eingangstür aus schwerem Holz mit schmiede eisernen Beschlägen. Kurz darauf betrat er eine riesige Empfangs halle, in der es durchdringend nach Reinigungsmitteln roch. Vor Kopf entdeckte er eine Informationstafel und an der rechten Wand die Anmeldung. Der ehemals schöne Tresen aus rustikaler Eiche konnte etwas Möbelpolitur vertragen. Dafür kleidete die ausländische Empfangsdame ein teures, perfekt sitzendes Kostüm.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie mit einem leicht asiatischen Akzent.
»Ich muss zum Archiv«, antwortete Pielkötter und ließ sie einen kurzen Blick auf seinen Dienstausweis werfen.
»Sie haben Glück, Sie können gleich die Treppe hinuntergehen, unsere Sekretärin Frau Holber ist gerade dort«, erklärte ihm die asiatische Empfangsdame. »Unten halten Sie sich links. Das Archiv befindet sich rechts hinter der Schwingtür.«
Pielkötter nickte kurz und durchquerte schnell die Eingangshalle. Bisher lief die Sache besser als erwartet. Als er sich unten gegen die breite Glastür lehnte, knarrte sie entsetzlich. Wenige Schritte noch, dann stand er vor einer weiteren Tür, diesmal aus Stahl. Sie trug die Aufschrift »Archiv«. Nachdem er kurz angeklopft hatte, trat er unaufgefordert ein. Eine Frau mittleren Alters mit einer Akte unter dem Arm lief direkt auf ihn zu. Die dicke Hornbrille über ihren überrascht blickenden blauen Augen ließ sie älter erscheinen.
»Haben Sie sich verlaufen?«
»Nein, hier bin ich genau richtig«, erklärte Pielkötter und zückte erneut seinen Dienstausweis.
Frau Holber rückte ihre Hornbrille zurecht und warf einen Blick darauf. »Weiß Herr Doktor Barthus Bescheid?«, fragte sie mit skeptischer Miene.
Am liebsten hätte er gelogen, aber dann dachte er doch an die manchmal hinderliche Dienstvorschrift und zögerte.
»Also nicht«, tadelte sie, noch ehe Pielkötter schließlich antworten konnte. Dabei sahen ihre Augen ihn über den Rand der Hornbrille hinweg durchdringend an.
»Sie sind also nicht bereit, der Polizei bei ihren Ermittlungen zu helfen«, entgegnete er, während er ihrem Blick standhielt.
»Sofern Sie einen Durchsuchungsbeschluss haben. Schließlich lagern hier hochsensible Daten.«
In der Tat, dachte Pielkötter, in der Tat. Ohne ein weiteres Wort griff die Dame zum Telefon.
»Herr Doktor Barthus untersagt jede Auskunft und jeden Einblick«, wandte sie sich wenig später wieder an Pielkötter.
»In diesem Fall geht es wohl nicht ohne Durchsuchungsbeschluss«, erklärte er. »Schönen Tag noch und auf Wiedersehen.«
Am Pförtnerhäuschen lief ihm der alte Mann in die Quere.
»Darf ich Sie um weitere Informationen bitten?«, fragte Pielkötter.
»Nur zu«, erwiderte der Mann lächelnd. »Aber nicht hier. Hab gleich Feierabend. Ich gehe dann immer auf ein Bier in die Kneipe. Die finden Sie am Ende der Straße, genau auf der Ecke. Warten Sie dort auf mich.«
Offensichtlich war die Kneipe ein Raucherclub. Schon an der Tür schlug Pielkötter eine Wolke von abgestandenem Rauch entgegen. Fast genauso schlimm empfand er das lautstarke Gedudel. Ein bekannter deutscher Sänger, dessen Name ihm im Moment nicht einfiel, flötete einen schwachsinnigen Text zu eingängiger Musik. Wenn schon Schwachsinn, dann bitte auf Englisch, dachte Pielkötter, dann versteht man wenigstens nur die Hälfte. Doch schließlich war er nicht hier, um die Atmosphäre zu genießen. Während er den großen Gastraum betrat, sahen ihm die wenigen Anwesenden interessiert entgegen. Anscheinend verirrten Fremde sich selten hierher.
»Na, Feierabend?«, grüßte ein beleibter Mann, der hinter einer alten, abgewetzten Theke direkt gegenüber dem Eingang stand.
Da sich Pielkötter kaum vorstellen konnte, dass der Umsatz der Kneipe einen Angestellten zuließ, handelte es sich wahrscheinlich um den Wirt. Erwartungsvoll sah dieser ihm entgegen. Pielkötter bestellte im Vorbeigehen ein Bier und wandte sich dann von der Theke ab zu einer Gruppe von kleineren Tischen mit karierten Decken. Zögernd wählte er einen Stuhl direkt an einem Fenster mit Nikotin geschwängerten Gardinen. Nachdem er sich gesetzt hatte, schielte er zu dem vollen Aschenbecher, der unmittelbar vor seiner Nase stand. Angewidert tauschte er ihn gegen einen leeren aus. Kaum zu glauben, dass der
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