Gefährliches Geheimnis
zu den Knien und merkte es nicht einmal. Sobald die Straße frei war, lief er über die Fahrbahn, und Monk beeilte sich, hinter ihm herzukommen.
»Er war auch tapfer«, fuhr Ferdi fort. »Er war draußen auf den Barrikaden, als die Kämpfe losgingen. Elissa von Leibnitz auch. Er hat mir eine Geschichte erzählt, die sich ereignete, als die Kämpfe im Oktober wirklich sehr heftig waren, nachdem sie den Kriegsminister gelyncht hatten und das Militär eingriff. Mehrere junge Männer wurden angeschossen und sind auf der Straße zu Boden gestürzt.
Frau von Leibnitz griff nach einer Waffe und ging raus, schrie und drohte und feuerte auf die Soldaten. Sie wusste, wie sie das machen musste, und hatte keine Angst. Ganz allein trieb sie die Soldaten zurück, bis andere heraus- kriechen und die Verwundeten hinter die Barrikaden schaffen konnten.«
»Wo war Kristian?«, fragte Monk. »Und Max?«
»Max war unter den Verletzten«, erwiderte Ferdi und warf einen Blick zur Seite, um sich zu vergewissern, dass Monk mit ihm Schritt hielt. »Kristian versuchte zu verhindern, dass ein Mann mit einer schrecklichen Wunde verblutete. Mit einer Hand drückte er dem Mann eine Kompresse auf die Schulter, und mit der anderen fuchtelte er in der Luft herum und schrie Elissa hinterher, sie sollte aufhören oder jemand sollte ihr helfen.«
»Aber Elissa wurde nicht verletzt?«
»Anscheinend nicht. Es war eine Frau bei ihnen, die Hanna hieß. Sie ging auch nach vorne und hat geholfen, die verletzten Männer reinzuholen. Und sie hat auch Nach- richten überbracht, durch den Teil der Stadt, den das Militär zurückerobert hatte und in dem ihre eigenen Revolutionäre abgeschnitten waren. Und sie hat Nachrichten zu ihren Verbündeten in der Regierung gebracht.«
»Können wir mit ihr sprechen?«, fragte Monk begierig. Es wäre ein Bericht aus erster Hand von einem Menschen, der die drei gut gekannt hatte. Vielleicht hatte sie mehr von den Beziehungen mitbekommen, von Neid oder Leidenschaft zwischen Kristian und Max.
»Ich habe ihn gefragt«, meinte Ferdi, dessen Miene plötzlich sehr ernst wurde, »Aber er glaubt, sie ist bei dem Aufstand ums Leben gekommen. Er hat mir aber ungefähr sagen können, wo Max Niemann lebt. Er ist inzwischen sehr geachtet. Die Regierung hat nicht vergessen, auf
welcher Seite er stand, als es darauf ankam, und sie kann sich nicht erlauben, alle zu bestrafen, sonst würde alles wieder außer Kontrolle geraten. Zu viele Menschen haben eine sehr hohe Meinung von Max Niemann.« Ferdi fuhr aufgeregt mit der Hand durch die Luft. »Aber das ist nicht alles. Es scheint, als wäre Ihr Freund Herr Beck auch ein ziemlicher Held gewesen, ein richtiger Kämpfer. Nicht nur tapfer, sondern ziemlich klug – eine Art geborener Anführer. Er hatte den Mut, dem Feind die Stirn zu bieten. Besaß ziemlich viel Menschenkenntnis und wusste, wann er bluffen und wie weit er gehen konnte. Er war härter als Niemann und bereit, Risiken einzugehen.«
»Sind Sie sicher?« Das klang gar nicht nach dem Mann, den Monk kennen gelernt hatte. Sicher hatte Ferdi den Alten falsch verstanden. »Beck ist Arzt.«
»Also, ich nehme an, er könnte ihn verwechselt haben, aber er schien sich ganz sicher zu sein!«
Monk stritt nicht mit ihm. Die Füße taten ihm weh, und er war müde und durchgefroren bis auf die Knochen, und es waren immer noch fast zwei Kilometer bis in seine Unterkunft in der Josefstadt. Vorher musste er aber noch eine Kutsche finden, die Ferdi sicher nach Hause brachte. Es war zwar seine Stadt, aber Monk fühlte sich für ihn verantwortlich.
»Wir machen morgen weiter«, sagte er entschlossen,
»und reden mit ein paar anderen Leuten auf der Liste.«
»Einverstanden!«, meinte Ferdi. »Wir finden nichts, was wirklich weiterhilft … nicht wahr?« Er warf Monk einen besorgten Blick zu.
Monk sah das anders. »Noch nicht. Aber wir werden was finden. Vielleicht schon morgen!«
Ferdi war pünktlich am nächsten Morgen wieder da und hatte mit frischem Eifer bereits geplant, wo sie ihre Suche
fortsetzen sollten. Diesmal fanden sie eine charmante Frau, die dreizehn Jahre zuvor in den Zwanzigern gewesen sein musste und jetzt angenehm mollig und wohlhabend war.
»Natürlich kannte ich Kristian«, sagte sie mit einem Lächeln, bat sie in ihr Wohnzimmer, ließ ihnen die Wahl zwischen drei Sorten Kaffee und bot ihnen zarten, köstlichen Kuchen an, obwohl es kaum halb elf war. »Und Max. Was für ein schöner Mann!«
»Kristian?«, fragte
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