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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Innsbruck. Wissen Sie, in dem Jahr gab es überall Scherereien.« Er blickte Monk an, um sicherzugehen, dass der ihm auch zuhörte.
    »Auch in Mailand und Venedig, was uns eine Menge Ärger machte. Sie gehören auch zu uns, obwohl sie italienisch sind. Wissen Sie das?«
    »Ja«, antwortete Monk, der sich von seiner Reise nach Venedig daran erinnerte, wie sehr die stolzen Venezianer das österreichische Joch hassten. »Ja, das weiß ich.«
    »Wir haben das deutsche Reich im Nordwesten und das russische Reich im Nordosten, und wir sind in der Mitte«, fuhr Ferdi fort, und beschleunigte seinen Schritt, um mit Monks langen Beinen mitzuhalten. »Jedenfalls, im Mai bildeten sie einen Wohlfahrtsausschuss – klingt genau wie
    in Frankreich, nicht wahr? Aber bei uns gab es keine Guillotine, und wir haben überhaupt nicht viele Menschen umgebracht.«
    Monk war sich nicht sicher, ob Stolz mitklang oder ein leichtes Gefühl der Enttäuschung. »Aber es müssen doch einige gewesen sein!«, erwiderte er.
    Ferdi nickte. »O ja! Wir haben da tatsächlich ganze Arbeit geleistet, im Oktober. Sie haben den Kriegsminister gehängt, Graf Baillet de Latour – an einen Laternenpfahl! Das war der Mob! Dann zwangen sie die Regierung und das Parlament, nach Olmütz zu gehen, was in Mähren liegt
    – das ist nördlich von hier, in Ungarn.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber es führte alles zu nichts. Die Aristokratie und der Mittelstand – das sind wir, nehme ich an – unterstützten Feldmarschall Prinz Windischgrätz, und der Aufstand wurde ganz niedergeworfen. Ich nehme an, das war, als Ihre Freunde sehr tapfer waren und das taten, was Sie herausfinden wollen.«
    »Ja«, gab Monk ihm Recht, betrachtete die belebten, wohlhabenden Straßen mit ihrer prächtigen Architektur und versuchte sich vorzustellen, wie Kristian und Elissa an diesem Ort für eine Reform einer solch riesigen, unangreif- bar mächtigen Regierung gekämpft hatten. Er hatte in allen Richtungen die prächtigen Fassaden der Staats- und Regie- rungsgebäude gesehen, der herrschaftlichen Wohnhäuser und Theater, Museen, Opernhäuser und Galerien. Was für ein revolutionäres Feuer hatte in ihnen gebrannt, dass sie es gewagt hatten, eine solche Macht anzugreifen? Es musste ihnen leidenschaftlich am Herzen gelegen haben, mehr als den meisten Menschen irgendetwas am Herzen lag. Wo fing man überhaupt an, um an den Fundamenten eines so gigantischen Kontrollapparates zu rütteln?
    In Ferdis jungem Gesicht sah er, dass es auch ihn gepackt hatte.
    »Ich muss die Leute auf meiner Liste finden«, sagte Monk, »die Leute, die damals hier waren und meine Freunde kannten.«
    »Sofort!«, antwortete Ferdi, lief ganz rot an vor Glück und Begeisterung und schritt noch schneller aus, so dass nun Monk seinerseits seine Schritte beschleunigen musste, um mit ihm mitzuhalten. »Haben Sie Geld für eine Kutsche?«
    An diesem Nachmittag sahen sie Straßen, in denen Barrikaden gewesen waren, und sogar Löcher in Mauern, wo Kugeln eingeschlagen oder abgeprallt waren. Sie aßen in einem der Kaffeehäuser zu Abend, in denen sich junge Männer und Frauen bei Kerzenschein über den gleichen Tisch beugten und Revolutionen planten, eine neue Welt der Freiheit am Horizont, oder vielleicht auch schweigend um den Verlust von Freunden trauerten.
    Monk und Ferdi aßen schweigend Suppe und Brot, jeder in seinen eigenen Gedanken verloren, die überraschend ähnlich waren. Monk dachte über das Band zwischen Menschen nach, die die gleiche Hoffnung teilten, und über die Opfer solcher Zeiten. Konnte irgendetwas, was im langweiligen Leben später geschah, ein solches Band zerreißen? Konnte jemand, der nicht diese Gefahr und Hoffnung geteilt hatte, Einlass in den Kreis finden oder etwas anderes sein als ein Zuschauer?
    Das flackernde Kerzenlicht und das Murmeln der Gespräche an den kleinen Tischen um sie herum gaben Monk das Gefühl, es könnte ebenso gut dreizehn Jahre früher sein. Ferdis junges Gesicht, gerötet und von der Kerze mit einem goldenen Schimmer überzogen, hätte eines von ihren Gesichtern sein können. Die Mischung aus Kaffee- und Kuchenduft und dem Geruch nach nassen Kleidern hätte die Gleiche sein können, ebenso wie das Wasser, das an den Fenstern herunterrann und das Licht
    der Straßenlaternen verwischte, und das Klatschen des Regens und das kurze Zischen von Kutschenrädern, wenn die Tür auf und zu ging. Außer dass die Träume zerstört waren und die Atmosphäre nicht mehr

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